Pressespiegel & Aktuelles
Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster
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Das Hungergefühl bis 21.39 Uhr
150 kommen zum Fastenbrechen in die Wissenbacher Mehrzweckhalle
Eschenburg-Wissenbach (cka/s). Etwa 150 türkische und türkischstämmige Bürger feierten am Freitagabend in der Mehrzweckhalle Wissenbach mit ihren Gästen das traditionelle Fastenbrechen.
Zu den Ehrengästen gehörten unter anderem Landrat Wolfgang Schuster, der türkische Generalkonsul Ufuk Ekici, Sinns Bürgermeister Hans-Werner Bender und der Migrationsberater Nabi Demirkan, der an diesem Abend feierlich in den Ruhestand verabschiedet wurde.
Demirkan geht in den Ruhestand
Die Frauen der Dillenburger DITIB-Moschee hatten den Saal dekoriert. Auf den Tischen standen Leckereien wie Melonenstücke und Oliven, Blätterteigröllchen und gefüllte Weinblätter, in Töpfen kochten Fleisch, Bohnen und Reis. Vor allem stand auf den Tischen Wasser. Die Muslime hatten seit dem Sonnenaufgang nichts mehr gegessen und nichts mehr getrunken und warteten sehnsüchtig darauf, dass es 21.39 Uhr wurde. Dann war an diesem 18 Stunden langen Tag im Ramadan in Wissenbach Sonnenuntergang. Der Ramadan dauerte in diesem Jahr vom 28. Juni bis zum 27. Juli.
Jedes Jahr wird das Fastenbrechen im Lahn-Dill-Kreis von einer anderen Gemeinde veranstaltet, in diesem Jahr von der Dillenburger DITIB-Moschee. Und jedes Jahr will eine Gemeinde die vorige an Pracht übertreffen, berichtete Memis Alici mit einem Augenzwinkern. Er ist Vorsitzender des Ausländerbeirats in Dillenburg und moderierte an diesem Abend.
Auch in der Türkei sei es üblich, das Fastenbrechen in großer Runde, von Geschäftsleuten gesponsert, zu feiern. Dort kämen 500 bis 1000 und mehr Menschen zusammen, damit das „Wir-Gefühl“ gestärkt werde, erklärte Metin Caner, stellvertretender Ausländerbeiratsvorsitzender.
Kein Mensch solle ins Bett gehen, wenn sein Nachbar hungert, hieße es im Islam. Dabei sei es egal, ob der Nachbar Muslim, Jude oder Christ sei. Beim Fasten soll jeder spüren, wie es sich anfühlt, Hunger zu haben. Hunger sei bei jedem gleich, bei Armen und Reichen, sagt Caner.
Zum feierlichen Fastenbrechen gehört, dass der Imam, hier Mehmet Ökdem, Verse aus dem Koran vorsingt. Rufat Akbulut erklärte: Beim gemeinsamen Fastenbrechen seien gemeinsame Besuche bei Verwanden und Freunden üblich. Die Gläubigen sollen an Arme und Bedürftige denken und an Mittellose spenden.
Dillenburgs Stadtrat Helmut Menz kam in Vertretung von Bürgermeister Michael Lotz und las dessen Rede vor: „Es ist schön, in einem Land zu leben, in Frieden und Freiheit zu leben, wo Glaube und politische Überzeugung keine Fronten aufbauen, sondern im Gegenteil die Menschen miteinander verbinden können.“
Nabi Demirkan hat 35 Jahre lang Sozialarbeit für Migranten geleistet, im Juni wurde er von der Arbeiterwohlfahrt in den Ruhestand verabschiedet. „Ich bin ein aktiver Mensch und werde nicht aufhören, Menschen meine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen“, kündigte er an. „Wir wollen Dich nicht verabschieden, das wollen wir uns und Dir nicht antun“, sagte Landrat Wolfgang Schuster mit einem Schmunzeln.
Dill-Zeitung vom Sonntag, 20. Juli 2014, Seite 10