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Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster

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Dietzhölztaler Genossen diskutieren den ausgehandelten Koalitionsvertrag

„Schluss mit der Ausschließeritis“

Von Ute Jung

Dietzhölztal-Mandeln. Neben der Nominierung des Bürgermeisterkandidaten stand ein Thema im Mittelpunkt der Mitgliederversammlung der SPD Dietzhölztal am Freitagabend: Das Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU. Der Vertrag wurde von den Genossen ebenso kontrovers diskutiert wie aktuell in den Medien.

Angesichts des „schlechtesten Ergebnisses bei einer Bundestagswahl in der Geschichte der SPD“, sei das Ergebnis überraschend gut, erklärte Stephan Aurand, Sozialdezernent des Lahn-Dill-Kreises und ehemaliger Bürgermeister der Gemeinde Dietzhölztal. Ein Riesenschritt in Richtung Herzstück der sozialdemokratischen Politik – die Rente mit 63 Jahren (nach 45 Versicherungsjahren ohne Abschläge) – sei mit dem Koalitionsvertrag gemacht. Auch der Mindestlohn sei notiert, wenngleich zeitversetzt. Dies sei aber mit den Gewerkschaften abgestimmt. Die Themen  Menschen mit Behinderung und Inklusion seien sozialpolitisch entscheidend. So werde das Einsteigemodell in das Teilhabegesetz kommen, das Kommunen entlaste und die Kreise unterstütze.

Keine Liebesheirat aber eine Vernunftsehe sei es, die die SPD mit der CDU eingehen wolle, betonte Landrat Wolfgang Schuster. „Ich werde dem Koalitionsvertrag zustimmen“, erklärte er und: „Wir haben das schlechte Wahlergebnis nicht wegen der Agenda 2010 sondern wegen dem Gerechtigskeitsempfinden der Menschen.“ Die Entwicklung durch die Umstrukturierungen im Sozialbereich und der Arbeitslosenhilfe sei erfolgreich. „Wir hatten im Jahr 2005 13 000 arbeitslose Menschen im Kreis. Im Jahr 2012 seien es nur noch 7800 gewesen. Im gleichen Zeitraum sei aber die Zahl der Aufstocker von 800 auf 3300 angewachsen. Schuster bezeichnete die vorgesehenen 8,50 Mindestlohn als „Schutzschirm nach unten für die Löhne“. Damit fänden die teilweise perversen Vorstellungsgespräche, die größtenteils mit Frauen geführt würden, ein Ende. „Du bekommst fünf oder sechs Euro Lohn und den Rest holst du dir beim Landrat“, würden manche Personalchefs empfehlen. Im Koalitionsvertrag stehe „sehr viel Gutes und Fortschrittliches“. Nur das Thema Energie gefalle ihm dort nicht so. Aber: „Lieber das als gar nichts.“

Eine deutlich kritischere Meinung vertrat Landtagsabgeordneter Stefan Grüger. Gerade das Thema Energiewende im Vertrag sei nicht zustimmungsfähig. Statt dezentraler Landwindkraftanlagen werde auf die drei- bis viermal so teuren Off-Shore-Anlagen gesetzt. Die Energiegewinnung aus Solarstrom werde abgewürgt. Aber die Braunkohle spiele weiter eine bedeutende Rolle. Somit stehe die teuerste Energievariante im Koalitionsvertrag. „Bezüglich der Abstimmung ringe ich noch mit mir und kann jeden verstehen, dem es genauso geht.“ Grüger verwahrte sich gegen „Totschlagargumente“ wie dies: „Wenn die SPD das nicht unterschreibt, ist sie tot“, oder „Du schädigst durch Nichtunterschreiben die Partei.“ Wer so argumentiere sei ein „dummer Idiot“. Es gehe doch um Inhalte und da habe jeder das Recht, zu einem eigenen Ergebnis zu kommen.

Vor Jahren hätte es ein Mitgliedervotum zur „Ausschließeritis“ der Partei geben sollen. Denn der Ausschluss von Koalitionen mit diversen Parteien habe die SPD in die „bekloppte Situation gebracht, nun mit denen verhandeln zu müssen, die die am weitesten entfernte Position vertreten“. Grüger weiter: „Deswegen ist es nun ein Kampf und wir quälen uns so. Diese Ausschließeritis machen wir nicht mehr.“
Viele anwesende Sozialdemokraten äußerten ihre Bedenken oder gaben ihre Zustimmung zum Koalitionsvertrag. Als eine Hypothek, die in Zukunft die jüngere Generation zu stemmen habe, sah ein Mitglied die angekündigte Entwicklung im Rentenbereich. Nur Reparatur werde betrieben, vieles sei Flickwerk, waren weitere geäußerte Bedenken. Der Vorsitzende der SPD Dietzhölztal, Stefan Scholl, wies auf den Mitglieder-Konvent des SPD-Unterbezirks Lahn-Dill am Montag in Aßlar hin. Hier soll über die mögliche Annahme des Koalitionsvertrages mit der CDU/CSU diskutiert werden. Zur Veranstaltung, die um 19 Uhr in der Stadthalle beginnt, wird auch die Bundestagsabgeordnete Dagmar Schmidt erwartet. Noch am Wochenende soll allen Mitgliedern der Koalitionsvertrag in schriftlicher Form vorliegen. Einsendeschluss für die ausgefüllten Unterlagen ist der 12. Dezember. Am 15. Dezember wird die Bekanntgabe des Mitgliedervotums erwartet. Bei einer mindestens 20-prozentigen Beteiligung soll es umgesetzt werden. 

Während der Mitgliederversammlung wurden langjährige Mitglieder geehrt. Bereits 50 Jahre gehört Gottfried Dittmar  zur SPD Dietzhölztal. Für 40-jährige Zugehörigkeit wurden Horst Siegemund, Karl Kreck und Reiner Debus geehrt. Seit 25 Jahren halten Andreas Bender und seit zehn Jahren Michael Karl der Partei die Treue. 

Dill-Zeitung vom Sonntag, 1. Dezember 2013, Seite 9

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