Pressespiegel & Aktuelles

Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster

Beachten Sie bitte, dass dieser Artikel vor 3689 Tagen veröffentlicht wurde.

Aus für Arzt-Notruf ist besiegelt

Kassenärztliche Vereinigung lehnt Modellprojekt im Lahn-Dill-Kreis ab

Wetzlar/Dillenburg. Der Arzt-Notruf (ANR) im Lahn-Dill-Kreis soll zum Jahresende geschlossen werden. Nun scheint das Aus endgültig, die letzte Chance auf den Erhalt vergeben. Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KV) hat den Fortbestand des Arzt-Notrufs bis Ende 2016 als Modellprojekt abgelehnt.

"Wir sehen letztlich leider keine solche Möglichkeit", schreibt der stellvertretende KV-Vorsitzende Dr. Günter Haas an die Kreisregierung. Die Finanzierung eines solchen Modellvorhabens sei derzeit nicht realisierbar.

Patienten aus dem Lahn-Dill-Kreis, die nachts, feiertags oder an Wochenenden - also wenn die Hausarztpraxen geschlossen sind - Hilfe brauchen, können noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres während dieser Zeiten den ANR unter Telefon: 1 92 92 anrufen. Danach müssen sie sich unter Telefon: 11 61 17 an das Call-Center der KV in Kassel wenden (in Notfällen weiterhin an die Telefon: 112).

Vor zwei Monaten hatte sich die Kreisregierung um Landrat Wolfgang Schuster (SPD) und Vize-Landrat Heinz Schreiber (Grüne) noch mit Vertretern des ANR sowie der KV zu einem Gespräch getroffen und vorgeschlagen: Der Arzt-Notruf solle ein zweijähriges Modellprojekt werden. In den Jahren 2015 und 2016 solle der ANR mit dem von der KV bevorzugten, hessenweit gültigen Call-Center-Modell verglichen werden. Der Vergleich solle zeigen: Welches Modell sei wirtschaftlicher und könne die Patientenversorgung besser sichern? Erst im Anschluss solle eine Entscheidung über den ANR gefällt werden. Der Kreis hoffte auf eine Gnadenfrist. Diesen Vorschlag lehnte der KV-Vorstand nun ab.

"Ja, das ist das Aus. Für uns ist das Thema damit leider durch"

Schreiber erklärte am Montag auf Anfrage: "Ja, das ist das Aus. Für uns ist das Thema damit leider durch. Ich sehe keine Stellschraube mehr, an der wir noch drehen können."

In der Vergangenheit hatten bereits der Kreistag sowie einige Stadt- und Gemeindeparlamente im Lahn-Dill-Kreis Resolutionen für den Erhalt des ANR verfasst. Bürger hatten im Internet eine Petition unterschrieben. Der Hessische Landkreistag hatte sich für das Arzt-Notruf-Modell stark gemacht und es für alle hessischen Landkreise gefordert. Die Gesundheitsweisen, ein "Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen", empfahlen in ihrem Gutachten an die Bundesregierung ausdrücklich "eine zentrale Leitstelle mit einheitlicher Notdienstnummer für alle Patientenanliegen" - so wie es der ANR bietet. Außerdem schickten Kreis-Politiker Hilfegesuche an den hessischen Sozialminister Stefan Grüttner und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU).

Alles verhallte. Die Finanzierung des Arzt-Notrufs im Lahn-Dill-Kreis ist nicht mehr gesichert. Er wurde von den Krankenkassen sowie von den Ärzten im Lahn-Dill-Kreis bezahlt.

Nachdem die KV voriges Jahr ankündigte, dass sie in Hessen eine einheitliche Lösung für die telefonische Beratung während des ärztlichen Bereitschaftsdienstes anstrebt und deshalb zwei Call-Center, in ihrem Sprachgebrauch "Dispositionszentralen", gründet, folgte auch das Aus für die Sonderlösung ANR im Lahn-Dill-Kreis. Zunächst kündigten die Krankenkasse die Finanzierung, und im Mai dieses Jahres kündigte dann die KV den Vertrag mit Kreis und ANR zum Jahresende. Sonst "würde die KV Hessen hier zu eigenen Lasten zusätzliche Haushaltsmittel bzw. Mittel zu Lasten der gedeckelten Honorarverteilung aufbringen müssen", schreibt KV-Vorstand Dr. Günter Haas.

Arzt-Notruf

Wenn Patienten an Wochenenden, nachts oder feiertags – wenn die Hausarztpraxen zu sind und der ärztliche Bereitschaftsdienst im Einsatz ist – nur „normale“ ärztliche Hilfe brauchen (keine Notfälle), können sie sich im Lahn-Dill-Kreis telefonisch an den Arzt-Notruf (ANR) wenden und dort beraten lassen. Sie rufen dann die ☎ 1 92 92 an und erreichen so einen Arzt, der ebenfalls in der Rettungsdienstleitstelle in Wetzlar sitzt. Der Arzt kann entscheiden, ob sich der Patient selbst zum Beispiel mit Medikamenten helfen kann oder ob er ärztlich versorgt werden muss. Er kann ihn gegebenenfalls an einen in dieser Zeit Dienst habenden Arzt, also den ärztlichen Bereitschaftsdienst, oder an ein Krankenhaus verweisen. Oder er kann – wenn er einen Notfall erkennt – einen Notarzt verständigen.

Call-Center

Ab 2015 sollen diese Patienten zu diesen Zeiten ein Call-Center in Kassel bzw. Frankfurt anrufen (☎ 11 61 17; für den Lahn-Dill-Kreis ist Kassel zuständig). Dort ist je ein Arzt beratend tätig, dazu weiteres Fachpersonal (Krankenschwestern, Sanitäter, Arzthelferinnen, Medizin-Studenten). In Spitzenzeiten sollen es bis zu 35 Personen sein. Diese Call-Center sind für ganz Hessen zuständig. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen hat sie gegründet, um eine hessenweit einheitliche Lösung für den ärztlichen Notdienst zu schaffen. Sie spricht von „Dispositionszentralen“.

Vergleich

Die Befürworter des Arzt-Notrufs machen als Vorteile gegenüber dem Call-Center-Modell geltend: 

  • Während der Notdienst-Zeiten ist beim ANR ein beratender Arzt auf 250 000 Einwohner im Lahn-Dill-Kreis zuständig, statt zwei Ärzte auf sechs Millionen Hessen in den Call-Centern. Somit sei die Qualität der Hilfe besser. 
  • Ein Arzt in der Leitstelle in Wetzlar habe bessere Ortskenntnisse als das Personal in einem der Call-Centern in Frankfurt oder Kassel. (jli) 

Wetzlarer Neue Zeitung vom Dienstag, 4. November 2014, Seite 16

Zurück zur Newsübersicht