Pressespiegel & Aktuelles

Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster

Beachten Sie bitte, dass dieser Artikel vor 3491 Tagen veröffentlicht wurde.

Ein Anfang als „Räuberbande“

Wetzlarer SPD-Ortsverband blickt auf 125 Jahre bewegte Geschichte

Wetzlar. Der Ortsverband Wetzlar der SPD hat mit einer Feier in der Aula Obertorstraße auf das 125-jährige Bestehen zurückgeblickt. Unter den etwa 70 Gästen waren erwartungsgemäß viele Gäste des politischen Lebens, auch Vertreter der übrigen Fraktionen im Stadtparlament. 

Bürgermeister Manfred Wagner, der auch Stadtverbandschef der SPD in Wetzlar ist, gratulierte im Namen der Stadt und dankte dafür, dass sich Sozialdemokraten in der 125-jährigen Geschichte immer wieder zur Verfügung gestellt hätten, „um auf der Grundlage ihrer Überzeugung die Diskussion und Auseinandersetzung um die Ausformung des Gemeinwesens mitzugestalten“. Die 125 Jahre und die 150 Jahre SPD in Deutschland spiegelten die beachtliche und auf den gesellschaftlichen Fortschritt zielende Veränderungskraft der Partei wider.

Wagner: Sozialdemokraten waren auch in der schwärzesten Stunde zur Stelle

Dabei erinnerte Wagner auch daran, dass Sozialdemokraten für ihre Parteizugehörigkeit verfolgt und verfemt wurden, die nicht die Hand gehoben hatten, als 1933 von ihnen verlangt wurde, sich selbst zu entmachten. Auch in der schwärzesten Stunde dieses Landes hätten sie an einer Republik mitgearbeitet, in dem sie Teil hatten an politischen Entscheidungen und konkreter Hilfe, etwa durch den Bau von Wohnungen, die Versorgung mit Lebensmitteln und das Wiedereingliedern der Vertriebenen.

Als einen Höhepunkt sozialdemokratischen Geschichte beschrieb er die Zeit unter Willy Brandt, dessen Formel „Mehr Demokratie wagen“ viele junge Menschen angesprochen habe. Keine andere Partei sei eine vergleichbare Integrationsleistung gelungen.

Die Ortsverbands-Vorsitzende Ulrike Göttlicher-Göbel gab einen Rückblick auf die 125-jährige Geschichte der SPD in Wetzlar. Schon 1984 habe man sich über die Erhaltung des Domblickbades unterhalten. Göttlicher-Göbel ging auch auf die unrühmliche Geschichte der Stadt Lahn ein. Dies habe Anfang der 90er Jahre dazu geführt, dass die SPD nicht mehr das Sagen in der Stadt hatte.

Göttlicher-Göbel ging auch auf die Rolle der Frauen in der SPD ein. Die Wetzlarer Fürsorgerin Lucie Bayer war die erste weibliche Bundestagsabgeordnete, der bis heute mit Helga Lopez, Erika Lotz und Dagmar Schmidt weitere Frauen folgten.

In einem Rückblick auf die ersten Jahre Sozialdemokratie sagte Stadtarchivarin Irene Jung, dass wichtige Gründerpersönlichkeiten aus Mittelhessen stammten, neben August Bebel in Wetzlar auch Wilhelm Liebknecht in Gießen.

In Wetzlar habe sich nur zögerlich eine Arbeiterbewegung gebildet. Zunächst hatte Wetzlar noch keine Industrie. Zudem sei den Beschäftigten bei Leitz undHensoldt noch nicht klar gewesen, dass sie auch nur einfache Arbeiter waren. Die Historikerin bemerkte, dass die meisten Informationen über die sozialdemokratischen Anfänge aus Polizeiakten stammen. Der Landrat gab die Anweisung, die sozialdemokratischen Vereine zu beobachten. In den Protokollen wurden Sozialdemokraten als „bedrohliche Räuberbande“ bezeichnet.

In einer Diskussionsrunde unter Leitung von Landrat Wolfgang Schuster berichteten Henny Baring, Gerhard Bökel, Gisela Jäckel, Karlheinz Pfaff und Hildegard Ukrow über ihren Weg in die SPD und über die schwierigen Jahre nach Gründung der Lahnstadt, die Pfaff als sinnvolle Sache bezeichnete, die aber dilletantisch vorbereitet und durchgesetzt worden sei.

Mit einem musikalisch-satirischen Beitrag bereicherte Frank Mignon die Jubiläumsfeier. Mignon zitierte einen ehemaligen Niedergirmeser Sozialdemokraten, der gesagt hatte: „Man muss doch etwas mache,sonst mache die da owe mit uns, was se wolle“.

Wetzlarer Neue Zeitung vom Donnerstag, 2. Oktober 2014, Seite 15

Zurück zur Newsübersicht