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Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster

Beachten Sie bitte, dass dieser Artikel vor 3490 Tagen veröffentlicht wurde.

Ein Stück von der EAM

Auch zwölf heimische Städte und Gemeinden wollen Anteile an dem Konzern

Dillenburg / Dietzhölztal / Eschenburg / Driedorf / Sinn. Zurzeit diskutieren viele Kommunalpolitiker im Lahn-Dill-Kreis über den Energiekonzern EAM ("Energie aus der Mitte"). Grund: Städte und Gemeinden wollen Anteile an dem Unternehmen kaufen. Was steckt hinter dem Geschäft?

Die Stadt Göttingen sowie zwölf Landkreise in Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hatten im vergangenen Dezember für 611 Millionen Euro vom Eon-Konzern die Aktien der Eon Mitte AG gekauft. Konkret: Sie erwarben 45 000 Kilometer Strom- und 4800 Kilometer Gasleitung innerhalb ihres Gebietes. Finanziert wurde das Geschäft mit einem Kredit. Die 13 neuen Gesellschafter bürgen dafür. Anschließend wurde das Unternehmen in "EAM - Energie aus der Mitte" umgetauft. Und seit Juli ist die EAM nicht mehr nur Betreiber des Strom- und Gasnetzes, sondern verkauft auch selbst Strom und Gas und wirbt um Kunden.

Wie ist der Lahn-Dill-Kreis an der EAM beteiligt?

Unter den 13 neuen Gesellschaftern ist auch der Lahn-Dill-Kreis, er besitzt derzeit 8,4 Prozent der Anteile. Sein Anteil an dem Kredit: 53 Millionen Euro. Für diese Summe bürgt der Kreis mit 50 Millionen Euro. Im Gegenzug erhält der Kreis jährlich eine Million Euro, einen Anteil an der Dividende, die die EAM ausschüttet. Dieses Geld in den nächsten Jahren für die Tilgung der Kreditraten verwendet werden.

Warum haben die Landkreise den Energiekonzern übernommen?

Nachdem der verschuldete Eon-Konzern seine Tochtergesellschaft Eon-Mitte zum Verkauf angeboten hatte, griffen die zwölf Landkreise sowie die Stadt Göttingen zu. Hauptargument für den Kauf: Sie wollten die Kontrolle über das Stromnetz und so ihre Stromversorgung sichern. Kein Hedgefonds oder Konzern sollte es finanziell ausbeuten können, also die Gewinne abziehen, und das Netz dann verkommen lassen. Die 13 neuen Gesellschafter hatten schon bis 2002 die Mehrheit an dem Stromnetzbetreiber gehalten, der damals noch "EAM - Elektrizitäts-Aktiengesellschaft Mittelhessen" hieß. Dann hatten sie ihre Aktien-Mehrheit an den Eon-Konzern verkauft. Nachdem der Konzern voriges Jahr wieder verkaufen wollte, hatten sie als Altaktionäre das Vorkaufsrecht.

An wen wollen die 13 EAM-Gesellschafter Anteile verkaufen?

Nun wollen die 13 fast die Hälfte ihrer Anteile weiter verkaufen: an Städte und Gemeinden in ihren Landkreisen sowie eventuell an den Landkreis Altenkirchen in Rheinland-Pfalz. Dieser Weiterverkauf war von Anfang an Ziel des ganzen Geschäfts. Von 200 Städten und Gemeinden haben etwa 130 ihr Interesse bekundet. Sie können gemeinsam bis zu 49,99 Prozent der Anteile an der EAM kaufen.

Welche Städte und Gemeinden aus dem Lahn-Dill-Kreis wollen EAM-Anteile kaufen?

Aus dem Lahn-Dill-Kreis gehören folgende Städte und Gemeinden zu den Interessenten: Bischoffen, Dietzhölztal, Dillenburg, Driedorf, Eschenburg, Greifenstein, Hohenahr, Hüttenberg, Leun, Schöffengrund, Siegbach und Sinn. Zwölf von 23 Kommunen. Die Stadt Dillenburg will unter allen 130 Kommunen den größten Anteil kaufen: 1,7 Prozent. Sonst liegen die Anteile beispielsweise bei 0,2 Prozent für Bischoffen, 0,7 Prozent für Hüttenberg, 0,6 Prozent für Eschenburg und 0,3 Prozent für Leun.

Unter anderen die Städte Wetzlar und Herborn wollen sich nicht an der EAM beteiligen. Sie haben Stadtwerke, die selbst Strom verkaufen. Ein eigenes Stromnetz haben diese Stadtwerke jedoch nicht, auch sie nutzen das der EAM und müssen dafür Nutzungsentgelt zahlen.

Was versprechen sich die Beteiligten von dem Geschäft?

Die EAM will Anteile verkaufen, um das Energieunternehmen auf eine breitere Basis zu stellen. Das Geschäftsmodell solle stabilisiert werden.

Die 13 Gesellschafter wollen ihre Bürgschaftssumme und somit ihr Risiko verringern - zugleich sinken aber auch ihre Gesellschaftsanteile (beim Lahn-Dill-Kreis laut Landrat Wolfgang Schuster von 8,4 auf etwa 6 Prozent).

Und die 130 Städte und Gemeinden versprechen sich ein Mitspracherecht an der Energiepolitik des Energiekonzerns in ihrer Region sowie langfristig Renditen vom EAM-Geschäft. Etwa sechs Prozent ab dem Jahr 2033. Für die Gemeinde Siegbach seien das jährlich zwischen 60 000 und 70 000 Euro, sagte Markus Hief, der Leiter der EAM-Netzregion Dillenburg-Biedenkopf, den dortigen Gemeindevertretern.

Was müssen die Städte und Gemeinden für ihre EAM-Anteile zahlen?

Die 130 Städte und Gemeinden zahlen gemeinsam 45 Millionen Euro für ihre Beteiligung. Da dieser Betrag für fast die Hälfte der EAM-Anteile vergleichsweise gering ist, müssen die 130 Kommunen noch einen Großteil der Bürgschaften der 13 Gesellschafter übernehmen. Künftig sieht es so aus: Die 130 Städte und Gemeinden bürgen mit über 400 Millionen Euro für den Kredit, der das Geschäft mit dem Eon-Konzern ermöglicht hatte, die 13 Gesellschafter nur noch mit rund 130 Millionen Euro.

Was bedeutet das für Städte und Gemeinden im Lahn-Dill-Kreis?

Zum Beispiel: Die Gemeinde Eschenburg muss für seinen 0,6-Prozent-Anteil einen Betrag von rund 600 000 Euro aufbringen. Und sie bürgt für eine Summe von 4,4 Millionen Euro, die Stadt Dillenburg sogar für rund 16 Millionen Euro.

Kritiker des Geschäfts verweisen auf das Risiko so einer Bürgschaft. Auch der Eschenburger Bürgermeister, Götz Konrad (parteilos), sagt: "Die Höhe der Bürgschaftssumme schreckt. Und man könnte sich fragen: Was ist, wenn die EAM pleite geht?" Allerdings habe die EAM einen großen finanziellen Puffer. Außerdem hätten die Kreise, Städte und Gemeinden die Zukunft der EAM selbst in der Hand, schließlich bestimmten sie die Firmenpolitik mit.

Wer entscheidet über das Geschäft?

Die Entscheidung über den Kauf der EAM-Anteile liegt bei den jeweiligen Stadt- und Gemeindeparlamenten. So haben die Dillenburger Stadtverordneten dem Geschäft bereits zugestimmt. Auf der anderen Seite müssen die EAM-Gesellschafter wiederum dem Verkauf zustimmen. So entscheidet der Kreistag des Lahn-Dill-Kreises in seiner nächsten Sitzung am 13. Oktober in Wetzlar.

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