Pressespiegel & Aktuelles
Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster
Beachten Sie bitte, dass dieser Artikel vor 3906 Tagen veröffentlicht wurde.
Im Verbund schlagkräftig auftreten
Lahn-Dill-Kliniken und Gesundheitszentrum Wetterau planen Zusammenschluss
VON STEFFEN GROSS
Wetzlar / Bad Nauheim. Einer der größten kommunalen Klinikverbünde in Hessen bahnt sich zwischen den Lahn-Dill-Kliniken und dem Gesundheitszentrum Wetterau an. Unter dem Eindruck unzureichender Finanzierung bei steigenden Kosten wollen die mittelhessischen Nachbarkreise gemeinsam Antworten auf den wachsenden Wettbewerb in der Gesundheitswirtschaft geben.
Deutschlands Krankenhauslandschaft ist im Umbruch. Jede zweite Klinik schreibt rote Zahlen. Der Druck wächst. Die Privatisierungs- und Konzentrationswelle rollt durchs Land. Und ganz allgemein stellen sich die Träger von Einzelhäusern allerorten die eine Frage: Wie stellen wir uns richtig für die Zukunft auf? Experten gehen davon aus, dass Kliniken unter 150 Betten schon bald allein nicht mehr überlebensfähig sind.
In Mittelhessen bahnt sich nun mit ersten inhaltlichen Gesprächen ein Schritt in Richtung eines Verbunds aus den Lahn-Dill-Kliniken mit den Kliniken des Gesundheitszentrums Wetterau (GZW) an. Es wäre neben der Gesundheit Nordhessen Holding AG mit ihren 1700 Betten der größte kommunale Klinikverbund in Hessen. In sieben Kliniken in Mittelhessen (siehe Grafik) mit insgesamt 1650 Betten versorgen rund 3400 Mitarbeiter jedes Jahr mehr als 65 000 Patienten stationär. Zum Verbund würden ferner sechs Medizinische Versorgungszentren und etliche Tochtergesellschaften gehören.
Bis zum Jahresende wollen die beiden Verhandlungsführer – der Geschäftsführer der Lahn-Dill-Kiniken, Richard Kreutzer, und der Ärzt- liche Direketor des GZW, Professor Friedrich Grimminger – Ergebnisse vorweisen. Welche, das sei offen. Nicht aus finanzieller Not heraus, sondern, um auch in den kommenden zehn bis 15 Jahren bestehen zu können, werde über den Verbund nachgedacht, wie die Gesellschafter gestern in einem Pressegespräch in Bad Nauheim nicht müde wurden zu betonen. Oberste Priorität bei allem habe die Patientenzufriedenheit, wiederholte auch Kreutzer mehrfach.
Beide Klinikverbünde stünden momentan gut da, erklärten die Landräte Wolfgang Schuster (Lahn-Dill) und Joachim Arnold (Wetterau) sowie Bad Nauheims Bürgermeister Armin Häuser. Die drei Lahn-Dill-Kliniken erwirtschafteten 2013 laut Schuster einen Konzernüberschuss von sieben Millionen Euro. Nicht ganz so viel, aber „schwarze Zahlen“ sollen es auch bei der GZW sein, die sich aber noch in der Wirtschaftsprüfung befinde, berichtete Arnold.
Von einer möglichen Fusion will zum jetzigen Zeitpunkt niemand sprechen. Allerdings könne diese das Ergebnis einer Weiterentwicklung in späteren Jahren sein, sagte Schuster. In einem ersten Schritt gehe es um eine Kooperation, einen Zusammenschluss, bei dem beide Partner ihre Namen, Geschäftsführungen und und Eigenständigkeit behalten. Arnold wittert „eine große Chance für alle Beteiligten“ und „eine Zukunftsperspektive für die kommenden zehn bis 15 Jahre“. Am Ende stünden „mehr Sicherheit und mehr Leistung für die Patienten“. Bürgermeister Häuser versprach als Vertreter des Mehrheitsgesellschafters auf GZW-Seite größtmögliche Transparenz bei dem Prozess. Die Lahn-Dill-Kliniken sollten auch künftig wie die GZW in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft bleiben.
Um die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zu verdeutlichen, gab Kreutzer einen Ausblick auf die „Gesundheitslandschaft in fünf Jahren“. Dann werde es eines der Hauptprobleme für die Krankenhäuser im Wettbewerb sein, gute und genügend Mitarbeiter zu finden, vor allem auch im Bereich nichtärztliches Personal. „Ich verspreche mir von mehr Größe auch mehr Stärke“, sagte der Geschäftsführer aus Wetzlar.
Große Einheiten sollen es künftig auch bei der Personalfindung leichter haben Kreutzers
GZW-Verhandlungspartner Grimminger sagte: „Wir gehen das Riesenprojekt mit großer Gelassenheit an.“ Ziel sei es, die Kliniken gemeinsam als öffentlich-rechtliche Kette in eine starke Position zu bringen. Private und auch kirchliche Träger machten seit Jahren vor, wie man im Verbund mehr Schlagkraft und Sicherheit erlange. Alleine die Kommunen versuchten sich noch immer als Einzelkämpfer – auf zunehmend aussichtslosem Posten. Den jetzt angedachten „regionalen Cluster“ zwischen Lahn-Dill und Wetterau hält Grimminger von der Größe her zum jetzigen Zeitpunkt für „exakt richtig, notwendig und abgeschlossen“. Aussagekräftige Leistungsvergleiche in Form von Benchmarks könnten künftig zwischen Nord- und Mittelhessen stattfinden.
Mit ihren gemeinsamen Zukunftsplänen kommen die beiden mittelhessischen Klinikverbünde auch einem Wunsch der Landesregierung nach. Von Wiesbaden aus wurde der Verbundprozess landesweit vor zwei Jahren angestoßen. Jochen Metzner, Referatsleiter Krankenhausversorgung im hessischen Sozialministerium, erklärte, die Landesregierung habe ein starkes Interesse am Erhalt kommunaler Kliniken. Sie seien auch deshalb von besonderem Wert, weil das von ihnen erwirtschaftete Geld im System bleibe und nicht wie bei den Privaten Aktionäre zufriedengestellt werden müssten. Außerdem, so kündigte Metzner an, werde das Land künftig bei der Fördermittelvergabe darauf achten, „welche Krankenhäuser zeigen, dass sie zukunftsfähig sind, und welche noch keine Schritte dafür unternommen haben“.
Einblick in die mögliche Verbundpraxis gab Grimminger: Abgesehen von der bereits bestehenden Einkaufsgemeinschaften zwischen beiden Gesellschaften werde man künftig durch die unterschiedliche Schwerpunktbildung voneinander profitieren. Wetzlar etwa habe mit seiner Strahlentherapie zur Tumorbehandlung eine Spitzenposition inne. In der Wetterau habe man sich auch lange mit dem Thema beschäftigt. Doch das mache nun keinen Sinn mehr, da die Qualität in Wetzlar vor allem aufgrund der notwendigen größeren Auslastung besser sei. Umgekehrt verfüge Bad Nauheim bereits über ein renommiertes Brustzentrum, das auch von Patienten aus Wetzlar genutzt werden könne.
Kreutzer versicherte, es gehe nicht darum, Patienten wegzuschicken, sondern ihnen in Spezialdisziplinen die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen. Kreutzer: „Die Grund- und Regelversorgung wird selbstverständlich auch künftig wie gewohnt an allen Klinikstandorten geboten.“
■ Standpunkt
Wetzlarer Neue Zeitung vom Freitag, 4. April 2014, Seite 17