Pressespiegel & Aktuelles

Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster

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Interview in der Standort-Broschüre "Wirtschaftsbild"

Lahn-Dill-Kreis
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Der mittelhessische Lahn-Dill-Kreis schafft, woran andere Regionen sich schon einmal „die Zähne ausbeißen“: Er vereint Gegensätze – und das überaus erfolgreich. WirtschaftsBild sprach mit Landrat Wolfgang Schuster über den Standort, der auf der einen Seite die höchste Industriedichte Hessens aufweist, und der doch gleichzeitig eine Fülle von interessanten Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten bietet.


1. WirtschaftsBild: Herr Landrat, die Industrie fühlt sich traditionell wohl im Landkreis. Wie ist denn die Stimmung bei den Bürgern, wie sieht es mit der Lebensqualität aus?

Wolfgang Schuster:
Die Zeit der rauchenden Schlote ist natürlich auch im Lahn-Dill-Kreis lange vorbei. Der größte Teil der Bürgerinnen und Bürger findet einen Arbeitsplatz im Kreisgebiet oder zumindest mit relativ geringem Zeitaufwand. Trotz der auf hohem Niveau produzierenden Industrie ist der Kreis weitgehend ländlich geprägt. Man lebt in Kleinstädten mit viel historischer Bausubstanz oder in landschaftlich meist schön gelegenen dörflichen bzw. dorfnahen Siedlungen. Ich habe den Eindruck, dass sich die Menschen hier wohlfühlen und gerne hier leben. Einige Regionen in Deutschland zeichnen sich durch landschaftliche Besonderheiten aus – das Mittelrheintal zum Beispiel, oder das Alpenvorland. Aber die Vielfalt einer von zwei Flusstälern durchzogenen Mittelgebirgslandschaft finden Sie dort nicht. Außerdem haben wir ein breites Angebot aller Schularten und –formen: von der Dorfschule bis zu Gesamtschulen und Gymnasien. Und die Kindergartenplätze sind günstiger als in vielen anderen Regionen. Ich meine schon, dass es sich hier gut leben lässt.


2.WirtschaftsBild: Kultur im Kreis als Standortfaktor?

Wolfgang Schuster:
Es ist ja bekannt, dass die sogenannten weichen Standortfaktoren, zu denen das kulturelle Angebot natürlich gehört, von maßgeblicher Bedeutung für die Wahl des Wohnstandortes sind. Dabei wird Kultur oft gleichgesetzt mit einem möglichst umfassenden Veranstaltungsangebot einer Region. Natürlich gibt es dies auch bei uns in vielfältiger Weise – etabliert haben sich der Mittelhessische Kultursommer, das Jazz-Weekend in Dillenburg, die Veranstaltungen der Kulturscheune (KuSch) in Herborn  oder die Wetzlarer Festspiele. Hier kann die Kreisverwaltung jedoch wenig Einfluss nehmen. Wir haben uns deshalb vorgenommen, die historische Kulturlandschaft in der wir leben und aus der wir kommen, aufzuarbeiten und für die Menschen erlebbar zu machen. Aus der ungeheuren Vielzahl der Zeugnisse und Vorkommen, die die Erdgeschichte und die wirtschaftende Tätigkeit vieler Generationen hinterlassen haben, werden wir einen Kulturlandschaftspark aufbauen. Auf diese Weise wird die Vielfalt der Region auf Schritt und Tritt spürbar.

3. WirtschaftsBild: Wenn wir Sie anfangs richtig verstanden haben, stehen die Menschen hinter ihren Unternehmen, identifizieren sich mit ihnen?

Wolfgang Schuster:
Der Lahn-Dill-Kreis ist uraltes Industriegebiet. Erzbergbau und Verhüttung stellten über Generationen die Grundpfeiler dar. Darauf aufbauend die früher florierende Öfen- und Herdeproduktion, dann Großküchen. Gleichzeitig die optische Industrie, die mit Wetzlar zur bedeutendsten Entwicklungs- und Produktionsstätte wurde. Die Bevölkerung ist also sozusagen industriegewöhnt. Allerdings haben auch bei uns viele ehemals bedeutende Unternehmen ihre Selbstständigkeit verloren. Auch hier ist es nicht mehr die Regel, dass Menschen ihr ganzes Berufsleben in ein und derselben Firma verbringen. Aber die lange gewachsene Einstellung und Bereitschaft zur Leistung ist geblieben. Hier scheut man die Arbeit nicht.

4. WirtschaftsBild: Im Landkreis sind viele familiengeführte Unternehmen ansässig. Wie ist die Region generell in Sachen Familienfreundlichkeit aufgestellt?

Wolfgang Schuster:
Wenn sich eine Region als familienfreundlich bezeichnen will, muss sie sich in besonderer Weise mit den Bedürfnissen von Menschen, deren Lebensplanung sich noch im Aufbau befindet, befassen. Welche Ansprüche sind das: Es geht um Kindergarten und Schule, Wohnangebot und Wohnumfeld. Dazu Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Hier will natürlich jeder der Beste sein. Bereits 2005 wurde im Lahn-Dill-Kreis das Bündnis für Familie gegründet. Hier wird ein Netzwerk geschaffen, um dem Thema Familienfreundlichkeit in Institutionen aber auch Unternehmen größere Bedeutung zu verschaffen. Der Lahn-Dill-Kreis investiert zurzeit enorme Mittel in die bauliche Qualität der Schulen. Für die Sportförderung geben wir mehr Geld aus als alle umliegenden Kreise und der ÖPNV, wichtig für die schnelle und sichere Schülerbeförderung, ist bei uns durch den Regionalen Verkehrsverbund gut organisiert. Die Baulandpreise sind günstig und die Kriminalitätsrate gering. Familien mit Kindern sind hier gut aufgehoben.

5. WirtschaftsBild: Die Überalterung der Gesellschaft stellt ganze Volkswirtschaften vor große Probleme. Haben Sie im Landkreis Angst vor dem „demografischen Faktor“?

Wolfgang Schuster:
Gegen die demografische Entwicklung kann ein Landkreis zunächst einmal wenig unternehmen. Die zunehmende Überalterung unserer Gesellschaft ist keine Frage regionaler Entwicklungsplanung. Allerdings können wir mit gezielten Maßnahmen einer negativen Bevölkerungsentwicklung entgegenwirken. Junge Menschen sind in besonderem Maße bereit, ihren Wohnsitz dorthin zu verlegen, wo ihnen die ihren Bedürfnissen entsprechenden Wohn-, Lebens- und Arbeitsbedingungen geboten werden. Und schulpflichtige Kinder brauchen gute Schulen. Dies sind Felder, die wir intensiv beackern. Wir investieren viel in den Aufbau der Freizeitinfrastruktur, wie die Vernetzung von Radwegen, Radwanderwegen und Premium-Wanderwegen – Angebote, die zunehmend von jungen Menschen angenommen werden. Man soll es spüren, dass sich der Lahn-Dill-Kreis mit seiner Zukunftsfähigkeit auseinandersetzt. Andererseits: Es gibt Städte und Regionen in Deutschland, die gerade ältere Menschen dazu bewegen wollen, ihren Wohnsitz dorthin zu verlegen. Eine wirkliche Gefahr scheint von dieser Altersgruppe also nicht auszugehen.


6. WirtschaftsBild: Herr Landrat, nach welcher Richtlinie entwickeln Sie den Landkreis – Stärken oder Schwächen aufarbeiten?

Wolfgang Schuster:
Wir sind gerade dabei, ein Zukunftskonzept für die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises zu erarbeiten. Dabei wurden auch die Ergebnisse mehrerer Studien ausgewertet. Natürlich sind wir froh über eine überdurchschnittliche Arbeitsplatzversorgung und eine hohe Bruttolohnsumme. Durch eine intensive, von mir persönlich begleitete Bestandspflege wollen wir den Unternehmen zeigen, dass wir sie brauchen und ihre Probleme ernst nehmen. Aber gerade bei den genannten Stärken hat der Kreis wenige Einwirkungsmöglichkeiten. Anders sieht es bei den aufgezeigten Schwächen aus. Wir haben diese Hinweise analysiert und aufbauend auf unseren Erkenntnissen Ziele und konkrete Maßnahmen erarbeitet. So wollen wir gewerbliche Baugenehmigungsverfahren zeitlich straffen und frühzeitig für Planungssicherheit sorgen. Das spart Zeit und Kosten. Zudem unterstützen wir aktiv die berufliche Weiterbildung und die Verknüpfung von akademischer Bildung und betrieblicher Praxis – das StudiumPlus. Hierbei hilft uns die Nähe zu den Hochschulstandorten Siegen, Marburg und Gießen. Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer Lahn-Dill, der Kreishandwerkerschaft und der Handwerkskammer Wiesbaden arbeiten wir in einem Wirtschafts-Dialog laufend an aktuellen Fragestellungen und stimmen die Arbeiten im Rahmen der Wirtschaftsförderung untereinander ab. Also: wir wollen mit konkreten Maßnahmen dazu beitragen, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Kreises mitzugestalten.

7. WirtschaftsBild: Welche Projekte haben Sie mittelfristig ins Auge gefasst, um den Standort weiter nach vorne zu bringen?

Wolfgang Schuster:
Zum einen steht für mich die Familienfreundlichkeit im Vordergrund. Ich will erreichen, dass das Bündnis für Familie zu einem Erfolg wird. Die Netzwerke müssen sich verdichten, das Thema muss ein nicht mehr wegzudenkender Teil gesellschaftlicher Entscheidungen werden. Zum anderen wollen wir in den nächsten Jahren verstärkt an der Sanierung unserer Schulen arbeiten. Und es kann nicht sein, dass die Qualität schulischer Bildung durch mangelhafte oder veraltete Ausstattung leidet. Auch hier muss eine Menge getan werden, auch hier will der Lahn-Dill-Kreis Vorreiter sein.

8. WirtschaftsBild: Wagen Sie einen Blick in die Zukunft – wo steht der Landkreis in zehn Jahren?

Wolfgang Schuster:
Sie meinen, was ich mir an zukünftiger Entwicklung wünsche! Ohne die Dinge schönzureden: ich sehe, dass unsere Bemühungen im Bereich Optik und Medizintechnik Früchte getragen haben. In diesem Segment werden wir bundesweit ganz oben stehen. Und ich sehe einen Landkreis der seine Traditionen nicht vergessen hat, der weiß, woher er kommt, der aber überall dort zugegriffen hat, wo sich neue Perspektiven geboten haben. Wir werden über Gewerbeflächenpools verfügen und den Ausbau der für uns so wichtigen A45 vorangetrieben haben. Ich glaube, dass wir insgesamt auf dem richtigen Weg sind. Ansonsten: 10 Jahre sind keine so lange Zeit, um Regionalstrukturen zu verändern.

9. WirtschaftsBild: Zum Schluss noch eine ganz persönliche Frage. Was schätzt der Mensch Wolfgang Schuster an der Region?

Wolfgang Schuster:
Eigenartiger Weise ist es für jemanden wie mich, der in der Region aufgewachsen ist, besonders schwer, Land und Leute zu bewerten. Ich schätze die Menschen, die bei aller Bodenständigkeit Fremden gegenüber nie ablehnend oder argwöhnisch waren. Ich liebe diese Landschaft mit ihrem Wechsel von Hochflächen, Tälern und Schluchten – wer einmal von dem Plateau des Westerwaldes ins Dilltal geblickt hat, weiß wovon ich rede. Und ich schätze die Lage der Region. Nur eine Stunde von Köln oder Frankfurt entfernt, in vier Stunden an der Küste oder in den Voralpen. Die Landschaft drängt ihre Schönheiten nicht auf, aber man kann sich ihnen auch nur schwer entziehen.

WirtschaftsBild: Herr Landrat, wir bedanken uns ganz herzlich für das offene Gespräch!

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