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Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster

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„Kein Grund zur Panik“

Bundesnetzagentur-Präsident Kurth

Quelle: http://www.fr-online.de/wirtschaft/energie/-kein-grund-zur-panik-/-/1473634/8359170/-/index.html

Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, spricht im FR-Interview über die künftige Energieversorgung, die Achillesferse für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Kosten der Energiewende für den Verbraucher.

Herr Kurth, drohen wegen der Abschaltung der sieben ältesten Kernkraftwerke in Deutschland Stromausfälle?

Panikmache ist nicht angebracht. Denn die Stromversorgung ist noch stabil und mit ausreichend Puffern versehen. Das Netz wird nicht zusammenbrechen, auch nicht, wenn im Sommer weitere Kraftwerke wegen Revisionsarbeiten außer Betrieb gehen. Auch die Winterspitze mit dem höchsten Stromverbrauch werden wir wahrscheinlich überstehen. Aber: nach den Vorausberechnungen ist in bestimmten kritischen Situationen nur noch eine knapp ausreichende Reserve an Kraftwerkskapazität vorhanden.

Wie können Engpässe gemeistert werden?

Kurzfristig kann zum Beispiel mehr Strom importiert werden, sofern unsere Nachbarländer Überschüsse produzieren. Auch eine Aktivierung eingemotteter Kraftwerke würde die Situation entspannen. Deutlich besser wird es, wenn wie geplant 2011 und 2012 einige im Bau befindliche neue Kohlekraftwerke ans Netz gehen.

Deutschland will aber die Energiewende und möglichst schnell den Öko-Stromanteil steigern. Ist das problemlos möglich?

Die Achillesferse eines schnellen Ausbaus ist derzeit das Stromnetz. Es ist nicht gebaut worden, um die hohen und schwankenden Energiemengen aus Öko-Strom-Kraftwerken zu verteilen. Windräder auf hoher See, sogenannte Offshore-Windparks, werden einen großen Teil unseres Strombedarfs decken. Auch die Windkraft an Land ist im Norden besonders gut ausgebaut. Wir müssen vor allem mehr Strom von Norden nach Süden transportieren können.

Wie viele Kilometer neue Höchstspannungsleitungen sind nötig?

850 Kilometer sind bereits fest beschlossen, davon sind erst rund 80 gebaut. Und die Deutsche Energie-Agentur geht davon aus, dass darüber hinaus bis zu 3600 Kilometer zusätzliche Leitungen benötigt werden in den kommenden Jahren.

Ist dieser angeblich benötigte enorme Ausbau nicht ein Popanz, der aufgebaut wird, um die Erneuerbaren zu blockieren?

Was heißt hier Popanz? Wir brauchen unbedingt ein leistungsfähigeres Netz! Im Übrigen: Wir reden über Ausbau des Übertragungsnetzes um zirka zehn Prozent, das sollte doch zu schaffen sein, wenn damit die erneuerbaren Energien erst zum Kunden kommen.

Die Genehmigungsverfahren stocken aber, Bürgerinitiativen und langsame Behörden blockieren den Ausbau.

Der Bundeswirtschaftsminister hat ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz vorgeschlagen, dem die Ländern noch zustimmen müssen. So wie es aussieht, werden wir als Bundesnetzagentur einen Zehn-Jahres-Plan, der Grundlage des Ausbaugesetzes wird, erarbeiten. Wir werden die wichtigsten neuen Trassen nach energiewirtschaftlichem Bedarf festlegen. Die bundesweite Festlegung wird die regionalen Verfahren deutlich beschleunigen – ohne die Rechte der betroffenen Bürger zu verletzen.

Wann kann es losgehen?

Ich gehe davon aus, dass wir mit unserer Arbeit schon im Juni starten können, dann will ja die Bundesregierung ihre neue Energie-Strategie auf den Weg gebracht haben. Wir hoffen, dass der Ausbau dann innerhalb weniger Jahre große Fortschritte machen kann.

Wie viel wird der Bau der zusätzlichen Leitungen kosten?

Zur Zeit machen die Kosten für die Übertragungsnetze etwa 2,5 Prozent des Strompreises aus. Selbst eine deutliche Steigerung bei den Investitionen hätte verkraftbare Auswirkungen, zumal die Kosten für den Bau über viele Jahre Stück für Stück in den Strompreis einfließen.

Wie wird die Energiewende an anderer Stelle den Strompreis beeinflussen?

Ich warne auch hier davor, übereilte Prognosen zu stellen und Panikmache zu betreiben. Es greifen viele Komponenten ineinander. Ein Beispiel ist die Vergütung für die Einspeisung von Öko-Strom. Sie lag zuletzt bei gut zwölf Milliarden Euro pro Jahr, die letztlich die Verbraucher subventionieren. Wie stark wird dieser Betrag steigen, wenn die Öko-Strom-Produktion wie geplant verdoppelt oder vervielfacht wird? Das hängt ganz davon ab, welche Techniken zu welchen Preisen gefördert und ob die bisherigen Fördersätze gekürzt werden.

Wie lassen sich die Kosten der Energiewende niedrig halten?

Es ist sinnvoll, die Erneuerbaren näher an den Markt zu bringen, denn das würde sie flexibler und damit wertvoller machen. Denkbar wäre etwa ein Anreiz, Strom lokal zu speichern und erst bei hohem Bedarf ins Netz einzuspeisen. Andersherum muss auch die Nachfrage beweglicher werden.

Interview: Jakob Schlandt
Quelle: http://www.fr-online.de/wirtschaft/energie/-kein-grund-zur-panik-/-/1473634/8359170/-/index.html

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