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Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster

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Kitas, Kosten, knappe Kassen

Explodierende Zuschüsse treiben Bürgermeister auf die Barrikaden

Wetzlar. Sie haben sich getroffen, um ihren Frust abzulassen, die Bürgermeister der 23 Kommunen im Lahn-Dill-Kreis und Landrat Wolfgang Schuster. Den meisten steht finanziell das Wasser bis zum Hals. Ihr Frust kommt vom Gefühl, allein gelassen zu werden vom Bund und vom Land Hessen, wenn es darum geht, die Kinderbetreuung zu bezahlen; die Betreuung, die sie auf Anweisung aus Berlin und Wiesbaden in den vergangenen Jahren intensiv ausgebaut haben.

"Es ist nicht mehr so, dass der, der die Musik bestellt, sie auch bezahlt", sagt Frank Inderthal (SPD), Solmser Bürgermeister und Sprecher seiner Kollegen aus dem Lahn-Dill-Kreis.

Sie alle haben sich am Mittwoch in der neuen Wetzlarer Kindertagesstätte "Spielburg" getroffen, um klar zu machen, wie schlecht die Lage ist.

Sie sind sich einig. "Wir sind in einer Schraubzwinge", beschreibt Landrat Wolfgang Schuster (SPD) die Lage: Das Land hat seine Schulden verdoppelt. Jetzt entzieht es den Kommunen Geld und zwingt sie, Steuern und Abgaben zu erhöhen. Das geht so nicht weiter."

Geld, das mehr für die Betreuung gebraucht wird, fehlt an anderer Stelle

In der Tat sind die Zahlen dramatisch. Mussten die Kommunen im Kreis für die Kinderbetreuung im Jahr 2008 noch 28 Millionen Euro zuschießen, so zeigen die Planansätze für nächstes Jahr gut 45 Millionen Euro.

Letztlich legt rein rechnerisch jeder einzelne Bürger darauf, denn das Geld, das mehr für die Betreuung gebraucht wird, fehlt an anderer Stelle.

In Eschenburg, so rechnet Bürgermeister Götz Konrad (parteilos) vor, ist es in etwa so viel, wie zum Ausgleich des Haushalts fehlt.

Wetzlars Oberbürgermeister Wolfram Dette (FDP) machte ganz am Anfang schon deutlich, dass ihm und seinen Kollegen die Kinderbetreuung ganz wichtig ist. Allerdings sei die eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deren Kosten nicht zum größten Teil an den Kommunen hängenbleiben dürften.

Ganztagskindergarten, Öffnung für unter Dreijährige, mehr und formal höher qualifiziertes Personal sowie Gebührenfreiheit waren die wichtigsten bundes- und landespolitisch vorgebrachten Wünsche für die Kinderbetreuung.

Allein für die U3-Betreuung musste kräftig in neue Räume, Ausstattung und Personal investiert werden, um dem zugesicherten Rechtsanspruch der Eltern zu genügen.

Für jeden einzelnen U3-Platz müssen die Kommunen nun aber jährlich durchschnittlich 9000 Euro für die Betriebskosten zuschießen, erklärte Frank Inderthal.

"Wir erfüllen die Aufgabe gerne für die Kinder und Eltern in unseren Städten und Gemeinden. Finanziell schaffen wir es aber nicht allein, sagte Inderthal, der auch Vorsitzender der Kreisversammlung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes ist. " Wir brauchen eine angemessene Beteiligung von Bund und Land."

Standpunkt: Zu wenig Geld für die Zukunft

Eigentlich ist alles ganz einfach: Wir leben alle aus dem gleichen Topf, in den jeder nach seinen persönlichen Möglichkeiten auch etwas hinein tut. Und jeder sollte auch seinen Anteil aus dem großen Topf bekommen, möglichst so, dass alle ein gutes Auskommen haben. Doch dieses einfache Prinzip ist aus dem Gleichgewicht geraten, ist hängen geblieben in dem Gewirr der Zuweisungen und Umlagen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Der Ansatz war gut, als man in Berlin entschied, dass mehr für die Kinderbetreuung getan werden solle. Schließlich ging es auch darum, das Land lebenswert und lebenstüchtig zu erhalten. Denn, klar: die Kinder sind unsere Zukunft. Und wenn es nicht vereinbar wäre, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, wenn Kinderbetreuungsplätze fehlen würden, dann wäre es verständlich, wenn junge Menschen sich nicht für Kinder entschieden. Die Jungen, die heute ohnehin erst viel später auf eigenen Füßen stehen, die "Generation Praktikum", die nach Schule, Studium und vielen Praktika oft mit einem Zeitvertrag nach dem anderen abgespeist werden - ohne Perspektive für ein langfristig gesichertes Familieneinkommen.

Das haben alle erkannt, als es darum ging, die Kinderbetreuung zu verbessern. Und es ist geschehen. Heute ist die Betreuung so gut, so umfangreich wie nie zuvor. Aber diejenigen, die alles beschlossen haben, stehlen sich aus der Verantwortung, denn die Kosten bleiben zum größten Teil an den Städten und Gemeinden hängen. Aus dem großen Topf bedient man die Kommunen nur mit dem kleinen Löffel.

Es ist richtig, dass die Bürgermeister auf die Barrikaden gehen, diejenigen, die immer dann als Erste gescholten werden, wenn die Kita-Gebühren angehoben werden müssen, obwohl sie nichts dafür können. Ihnen und den kommunalen Parlamenten sind die Familien nicht egal. Im Gegenteil, sie sind darauf bedacht, dass ihre Städte und Dörfer attraktive Wohn- und Lebensgemeinden sind und bleiben. Aber das wird bei steigenden Ausgaben, schrumpfenden Einnahmen und schärferen Vorschriften immer schwerer.

Kinder sind unsere Zukunft. Das ist klar. Was aber ist, wenn es in den Kommunen keine Zukunft mehr gibt, wenn Jugendtreffs, Schwimmbäder, kulturelle Einrichtungen und mehr geschlossen werden müssen, so wie es bereits geschieht. Die Bürgermeister, die Kommunalpolitiker, die Eltern, die Bürger, sie alle müssen gemeinsam Druck machen auf Bundes- und Landtagsabgeordnete, auf die Basis der Parteien in den Dörfern und Städten, damit diese den Hilferuf weitertragen nach Wiesbaden und Berlin, damit ein gerechter Anteil aus dem großen Topf da ankommt, wo er wirklich gebraucht wird.

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