Pressespiegel & Aktuelles
Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster
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Mobilfunkanlagen im Lahn-Dill-Kreis - ein "heißes Eisen" im Expertengespräch
Wetzlar/Dillenburg, 13. Februar 2007
Aus dem gesellschaftlichen und beruflichen Leben sind Handys nicht mehr
wegzudenken. Die ständig wachsende Zahl der Mobilfunkteilnehmer und
-teilnehmerinnen macht allerdings einen steten Ausbau der Netze
erforderlich. Mobilfunkbetreiber benötigen neben zentralen
Vermittlungsstellen auch eine Vielzahl von Basisstationen (Sende- und
Empfangsanlagen), die wabenförmig über Deutschland verteilt sind.
Viele Menschen sorgen sich um ihre Gesundheit, da Sende- und
Empfangsanlagen von Mobilfunkbetreibern elektromagnetische Felder
verursachen können. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur
Gesundheitsgefährdung solcher elektromagnetischer Felder liegen jedoch
nicht vor.
Die Standortwahl für Mobilfunkanlagen führte in der
Vergangenheit immer wieder zu Konflikten zwischen Anlagenbetreibern und
Kommunen als Genehmigungsbehörden und gleichzeitig als Adressaten von
Bürgerprotesten. Dabei werden Bedenken und Sorgen der Bürger von den
kommunalen Entscheidungsträgern sehr ernst genommen.
Aber welche Rolle spielen eigentlich die Kommunen in den Entscheidungsprozessen zur Errichtung von Mobilfunkanlagen?
Sie
wird in der öffentlichen Diskussion häufig überschätzt und
vermeintliche Einflussmöglichkeiten werden überbewertet. Deswegen ist
es notwendig, sachlich die Rollen der Städte und Gemeinden sowie des
Landkreises darzustellen.
Jedenfalls hat der Gesetzgeber den
Kommunen keinen Raum eingeräumt, über gesundheitliche Auswirkungen von
elektromagnetischen Strahlungen zu befinden. Kommunen haben lediglich
baurechtliche Prüfungen vorzunehmen, wobei es hierbei kaum Handlungs-
und Entscheidungsspielräume gibt.
Grundsätzliches zu baurechtlichen Vorschriften:
Bei
der Errichtung von Mobilfunkanlagen sind bauordnungsrechtliche und
bauplanungsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen. Das
Bauplanungsrecht regelt, ob ein Bauvorhaben in einem Baugebiet
(Dorfgebiet, Wohngebiet, Gewerbegebiet usw.) errichtet werden darf. Das
Bauordnungsrecht bestimmt, welche technischen Vorgaben
(Abstandsflächen, Statik usw.) einzuhalten sind.
Eine
Mobilfunkanlage muss sowohl bauordnungsrechtlichen als auch
bauplanungsrechtlichen Vorschriften entsprechen, um baurechtlich
zulässig zu sein.
Bauordnungsrecht:
Das
Bauordnungsrecht ist Ländersache. In Hessen wird es insbesondere durch
die Hessische Bauordnung (HBO) und hierzu ergangene Verordnungen und
Erlasse geregelt. Nach den Bestimmungen der HBO (§ 55, Anlage 2 zu §
55) sind Antennen und Masten (auch Mobilfunkmasten) bis zu einer
Gesamthöhe von 10 Metern genehmigungsfrei. Dies gilt auch, soweit sie
in, auf oder an einer bestehenden baulichen Anlage errichtet werden,
für die damit verbundene Nutzungsänderung der baulichen Anlage. Die
Frage, ob von einer Mobilfunkanlage Abstandsflächen zu benachbarten
Gebäuden einzuhalten sind, stellt sich immer nur dann, wenn
Mobilfunkstationen eine gebäudegleiche Wirkung haben. Bei den
üblicherweise kleinformatigen Anlagen (bis 10 Meter Antennenhöhe) ist
dies zu verneinen.
Soweit ist der Lahn-Dill-Kreis als zuständige
Genehmigungsbehörde i. d. R. mit einem nach der HBO genehmigungsfreien
Vorhaben befasst.
Bauplanungsrecht:
Das
Bauplanungsrecht ist vorwiegend Bundesrecht. Regelungen finden sich
insbesondere im Baugesetzbuch (BauGB) sowie hierzu erlassener
Verordnungen. Auch wenn die Mobilfunkanlage nach der HBO
genehmigungsfrei sein sollte, ist das Vorhaben bauplanungsrechtlich zu
beurteilen.
Mobilfunksendeanlagen sind im Innenbereich als
"nicht störende Gewerbebetriebe" bauplanungsrechtlich erlaubt. (Vgl.
auch Hess. VGH, Beschluss vom 29. Juli 1999). Sie sind somit im
besonderen Wohngebiet, im Dorfgebiet, im Mischgebiet, im Kerngebiet, im
Gewerbegebiet und im Industriegebiet allgemein zulässig. Lediglich für
Kleinsiedlungsgebiete, allgemeine und reine Wohngebiete hat der Gesetz-
bzw. Verordnungsgeber bestimmte Bedingungen formuliert.
Mobilfunkanlagen können jedoch auch hier unter bestimmten
Voraussetzungen im Wege von Ausnahmen und Befreiungen genehmigungsfähig
sein.
Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand der Wissenschaft
sind bei Einhaltung der Grenzwerte der 26.
Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) keine schädlichen
Umwelteinwirkungen durch Sendeanlagen für den Mobilfunk zu erwarten.
Die
Einhaltung der Grenzwerte hat der Anlagenbetreiber mit einer
Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur nachzuweisen. Die
Grenzwerte der 26. BImSchV beruhen auf internationalen
wissenschaftlichen Studien und entsprechen den Empfehlungen anerkannter
unabhängiger Fachgremien wie der WHO, der Deutschen
Strahlenschutzkommission u. a. Die Grenzwerte der 26. BImSchV sind
durch zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 13. Februar 2004
gebilligt und die Klagen dagegen abgewiesen worden.
Mobilfunkanlagen
im Außenbereich sind gemäß Baugesetzbuch (§ 35 Abs. 1 Nr. 3)
grundsätzlich privilegiert. Nach Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichtes ist aber hier ein spezifischer Standortbezug
erforderlich. Dieser ist immer dann zu bejahen, wenn nur durch den
gewählten Standort eine Sicherstellung des Versorgungsauftrages für
Telekommunikationsdienstleistungen, d. h. eine vollständige Abdeckung
des betroffenen Gebietes, erreicht werden kann.
Bei
Mobilfunkanlagen im Außenbereich ist eine naturschutzrechtliche
Genehmigung bzw. die Herstellung des Benehmens erforderlich (§ 17 Abs.
1 und 2 Hess. Naturschutzgesetz). Aufgrund der Standortgebundenheit
entfällt eine Alternativenprüfung. Zur Eingriffsminimierung erfolgt die
Auflage, anderen Netzbetreibern die Mitbenutzung des Mastes zu
ermöglichen.
Fazit:
Der Kreis darf keine
Genehmigung versagen, wenn der Antrag eines Betreibers die rechtlichen
Anforderungen erfüllt. Gleiches gilt sinngemäß für Gemeinden, deren
Einvernehmen zur Errichtung von Mobilfunkstationen, je nach
Fallkonstellation, erforderlich ist. Durch kommunalaufsichtliche
Verfahren ist gewährleistet, dass rechtswidrige Entscheidungen von
Städte und Gemeinden beanstandet, aufgehoben bzw. ersetzt werden
können. Das BVerwG kommt auch zu der Auffassung, dass "eine kleinliche
Prüfung hierbei nicht angebracht sei".
Welche
planerischen Steuerungsmöglichkeiten besitzen Städte und Gemeinden mit
Blick auf die Standortbestimmung von Mobilfunkanlagen?
Städte
und Gemeinden können im Wege der Bauleitplanung Vorrangsflächen oder
Ausschlussflächen für bestimmte Anlagen, auch Mobilfunkanlagen,
ausweisen. Dabei haben die Kommunen aber zu berücksichtigen, dass
Belange des Post- und Fernmeldewesens Verfassungsrang besitzen und eine
umfassende Mobilfunkabdeckung heute zu der grundlegenden
infrastrukturellen Ausstattung eines Gemeindegebietes gehört.
Durch
Gestaltungssatzungen können Kommunen zwar z. B. regeln, unter welchen
gestalterischen Voraussetzungen Mobilfunkanlagen innerhalb des
Gemeindegebietes zulässig sind. Dabei sind die Städte und Gemeinden
aber insbesondere dazu verpflichtet, zwischen den Interessen des
Mobilfunks, also der Schaffung einer flächendeckenden Versorgung im
öffentlichen Interesse, und den gestalterischen Interessen abzuwägen.
Jedenfalls kann mit einer Gestaltungssatzung kein Verbot von
Mobilfunkanlagen im gesamten Gemeindegebiet wirksam festgelegt werden.
Fazit:
Auch
die planerischen Möglichkeiten von Städten und Gemeinden sind sehr
begrenzt und stoßen schnell an rechtliche Grenzen. Mit Blick auf die
Rechtslage ist es für Kommunen jedenfalls unproblematischer, im Wege
der planungsrechtlichen Ausweisung von "Vorrangflächen" eine
Positivplanung vorzunehmen.