Pressespiegel & Aktuelles

Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster

Beachten Sie bitte, dass dieser Artikel vor 6441 Tagen veröffentlicht wurde.

Lahn-Dill-Kreis

Mobilfunkanlagen im Lahn-Dill-Kreis - ein "heißes Eisen" im Expertengespräch

Foto (LDK privat), von links: Bürgermeister Götz Konrad (Eschenburg), Landrat Wolfgang Schuster, Bürgermeister Hans Benner (Herborn).

Wetzlar/Dillenburg, 13. Februar 2007
Aus dem gesellschaftlichen und beruflichen Leben sind Handys nicht mehr wegzudenken. Die ständig wachsende Zahl der Mobilfunkteilnehmer und -teilnehmerinnen macht allerdings einen steten Ausbau der Netze erforderlich. Mobilfunkbetreiber benötigen neben zentralen Vermittlungsstellen auch eine Vielzahl von Basisstationen (Sende- und Empfangsanlagen), die wabenförmig über Deutschland verteilt sind.

Viele Menschen sorgen sich um ihre Gesundheit, da Sende- und Empfangsanlagen von Mobilfunkbetreibern elektromagnetische Felder verursachen können. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur Gesundheitsgefährdung solcher elektromagnetischer Felder liegen jedoch nicht vor.

Die Standortwahl für Mobilfunkanlagen führte in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten zwischen Anlagenbetreibern und Kommunen als Genehmigungsbehörden und gleichzeitig als Adressaten von Bürgerprotesten. Dabei werden Bedenken und Sorgen der Bürger von den kommunalen Entscheidungsträgern sehr ernst genommen.

Aber welche Rolle spielen eigentlich die Kommunen in den Entscheidungsprozessen zur Errichtung von Mobilfunkanlagen?

Sie wird in der öffentlichen Diskussion häufig überschätzt und vermeintliche Einflussmöglichkeiten werden überbewertet. Deswegen ist es notwendig, sachlich die Rollen der Städte und Gemeinden sowie des Landkreises darzustellen.

Jedenfalls hat der Gesetzgeber den Kommunen keinen Raum eingeräumt, über gesundheitliche Auswirkungen von elektromagnetischen Strahlungen zu befinden. Kommunen haben lediglich baurechtliche Prüfungen vorzunehmen, wobei es hierbei kaum Handlungs- und Entscheidungsspielräume gibt.

Grundsätzliches zu baurechtlichen Vorschriften:
Bei der Errichtung von Mobilfunkanlagen sind bauordnungsrechtliche und bauplanungsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen. Das Bauplanungsrecht regelt, ob ein Bauvorhaben in einem Baugebiet (Dorfgebiet, Wohngebiet, Gewerbegebiet usw.) errichtet werden darf. Das Bauordnungsrecht bestimmt, welche technischen Vorgaben (Abstandsflächen, Statik usw.) einzuhalten sind.

Eine Mobilfunkanlage muss sowohl bauordnungsrechtlichen als auch bauplanungsrechtlichen Vorschriften entsprechen, um baurechtlich zulässig zu sein.

Bauordnungsrecht:
Das Bauordnungsrecht ist Ländersache. In Hessen wird es insbesondere durch die Hessische Bauordnung (HBO) und hierzu ergangene Verordnungen und Erlasse geregelt. Nach den Bestimmungen der HBO (§ 55, Anlage 2 zu § 55) sind Antennen und Masten (auch Mobilfunkmasten) bis zu einer Gesamthöhe von 10 Metern genehmigungsfrei. Dies gilt auch, soweit sie in, auf oder an einer bestehenden baulichen Anlage errichtet werden, für die damit verbundene Nutzungsänderung der baulichen Anlage. Die Frage, ob von einer Mobilfunkanlage Abstandsflächen zu benachbarten Gebäuden einzuhalten sind, stellt sich immer nur dann, wenn Mobilfunkstationen eine gebäudegleiche Wirkung haben. Bei den üblicherweise kleinformatigen Anlagen (bis 10 Meter Antennenhöhe) ist dies zu verneinen.

Soweit ist der Lahn-Dill-Kreis als zuständige Genehmigungsbehörde i. d. R. mit einem nach der HBO genehmigungsfreien Vorhaben befasst.

Bauplanungsrecht:
Das Bauplanungsrecht ist vorwiegend Bundesrecht. Regelungen finden sich insbesondere im Baugesetzbuch (BauGB) sowie hierzu erlassener Verordnungen. Auch wenn die Mobilfunkanlage nach der HBO genehmigungsfrei sein sollte, ist das Vorhaben bauplanungsrechtlich zu beurteilen.

Mobilfunksendeanlagen sind im Innenbereich als "nicht störende Gewerbebetriebe" bauplanungsrechtlich erlaubt. (Vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 29. Juli 1999). Sie sind somit im besonderen Wohngebiet, im Dorfgebiet, im Mischgebiet, im Kerngebiet, im Gewerbegebiet und im Industriegebiet allgemein zulässig. Lediglich für Kleinsiedlungsgebiete, allgemeine und reine Wohngebiete hat der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber bestimmte Bedingungen formuliert. Mobilfunkanlagen können jedoch auch hier unter bestimmten Voraussetzungen im Wege von Ausnahmen und Befreiungen genehmigungsfähig sein.

Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand der Wissenschaft sind bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Sendeanlagen für den Mobilfunk zu erwarten.

Die Einhaltung der Grenzwerte hat der Anlagenbetreiber mit einer Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur nachzuweisen. Die Grenzwerte der 26. BImSchV beruhen auf internationalen wissenschaftlichen Studien und entsprechen den Empfehlungen anerkannter unabhängiger Fachgremien wie der WHO, der Deutschen Strahlenschutzkommission u. a. Die Grenzwerte der 26. BImSchV sind durch zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 13. Februar 2004 gebilligt und die Klagen dagegen abgewiesen worden.

Mobilfunkanlagen im Außenbereich sind gemäß Baugesetzbuch (§ 35 Abs. 1 Nr. 3) grundsätzlich privilegiert. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes ist aber hier ein spezifischer Standortbezug erforderlich. Dieser ist immer dann zu bejahen, wenn nur durch den gewählten Standort eine Sicherstellung des Versorgungsauftrages für Telekommunikationsdienstleistungen, d. h. eine vollständige Abdeckung des betroffenen Gebietes, erreicht werden kann.

Bei Mobilfunkanlagen im Außenbereich ist eine naturschutzrechtliche Genehmigung bzw. die Herstellung des Benehmens erforderlich (§ 17 Abs. 1 und 2 Hess. Naturschutzgesetz). Aufgrund der Standortgebundenheit entfällt eine Alternativenprüfung. Zur Eingriffsminimierung erfolgt die Auflage, anderen Netzbetreibern die Mitbenutzung des Mastes zu ermöglichen.

Fazit:
Der Kreis darf keine Genehmigung versagen, wenn der Antrag eines Betreibers die rechtlichen Anforderungen erfüllt. Gleiches gilt sinngemäß für Gemeinden, deren Einvernehmen zur Errichtung von Mobilfunkstationen, je nach Fallkonstellation, erforderlich ist. Durch kommunalaufsichtliche Verfahren ist gewährleistet, dass rechtswidrige Entscheidungen von Städte und Gemeinden beanstandet, aufgehoben bzw. ersetzt werden können. Das BVerwG kommt auch zu der Auffassung, dass "eine kleinliche Prüfung hierbei nicht angebracht sei".

Welche planerischen Steuerungsmöglichkeiten besitzen Städte und Gemeinden mit Blick auf die Standortbestimmung von Mobilfunkanlagen?

Städte und Gemeinden können im Wege der Bauleitplanung Vorrangsflächen oder Ausschlussflächen für bestimmte Anlagen, auch Mobilfunkanlagen, ausweisen. Dabei haben die Kommunen aber zu berücksichtigen, dass Belange des Post- und Fernmeldewesens Verfassungsrang besitzen und eine umfassende Mobilfunkabdeckung heute zu der grundlegenden infrastrukturellen Ausstattung eines Gemeindegebietes gehört.

Durch Gestaltungssatzungen können Kommunen zwar z. B. regeln, unter welchen gestalterischen Voraussetzungen Mobilfunkanlagen innerhalb des Gemeindegebietes zulässig sind. Dabei sind die Städte und Gemeinden aber insbesondere dazu verpflichtet, zwischen den Interessen des Mobilfunks, also der Schaffung einer flächendeckenden Versorgung im öffentlichen Interesse, und den gestalterischen Interessen abzuwägen. Jedenfalls kann mit einer Gestaltungssatzung kein Verbot von Mobilfunkanlagen im gesamten Gemeindegebiet wirksam festgelegt werden.

Fazit:
Auch die planerischen Möglichkeiten von Städten und Gemeinden sind sehr begrenzt und stoßen schnell an rechtliche Grenzen. Mit Blick auf die Rechtslage ist es für Kommunen jedenfalls unproblematischer, im Wege der planungsrechtlichen Ausweisung von "Vorrangflächen" eine Positivplanung vorzunehmen.

Zurück zur Newsübersicht