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Schwarz-Gelb gibt Breitband für alle auf

Telekommunikationsgesetz

Von Christian Stöcker - www.spiegel.de

Deutschland ist noch immer geteilt. In manchen Gegenden ist es für die Bürger unmöglich, einen DSL-Zugang zu bekommen. Die Union wollte das ändern, mit einer Verpflichtung für die Telekommunikationsunternehmen. Doch die wurde in letzter Minute gekippt - auf Betreiben der FDP.

Folgenden Dialog wird vermutlich niemals ein deutsches Hotline-System aufzeichnen: "Guten Tag, ich hätte gerne Strom bei mir zu Hause." - "Tut mir leid, da wo sie wohnen, gibt es keinen Strom. Das lohnt sich für uns nicht." Zwar haben Energieversorger laut Gesetz nicht nur eine Grundversorgungspflicht - sie müssen Strom liefern, wenn der Kunde zahlt - sondern auch die Chance, diese Pflicht zu umgehen, wenn sie zu erfüllen "aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar" ist. Aber das geschieht in der Praxis sehr selten.

Um aus dem hypothetischen Dialog einen ziemlich häufigen zu machen, muss man nur das Wort "Strom" durch "DSL" ersetzen. Es gibt in Deutschland immer noch viele Haushalte, die keine oder nur eine sehr langsame Internetverbindung haben. Was auch damit zusammenhängt, dass es eine Grundversorgungspflicht für DSL in Deutschland eben nicht gibt. Neun Millionen haben "gar keinen oder nur einen unzureichenden Zugang zum Internet, nimmt man 6 Mbit/s als Maßgabe", schreiben die Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz, Tabea Rößner, Kerstin Andreae in einem Entschließungsantrag zum Telekommunikationsgesetz, das der Bundestag am Donnerstag verabschiedete. Eine bessere Versorgung sei "dringend geboten".

Ständige Lippenbekenntnisse zum Innovationsmotor Internet

Dem aktuellen Infas-Telekommunikationsmonitor zufolge haben 26 Prozent der deutschen Haushalte nach wie vor gar keinen Internetanschluss. Nicht alle wollen einen - aber diejenigen, die gern einen hätten, aber keinen bekommen, leiden darunter sehr. Gerade für kleine und mittelständische Betriebe ist ein Internetanschluss heute überlebenswichtig. Nun hat aber die Bundesregierung entscheiden, dass die bessere Versorgung doch lieber nicht gesetzlich festgeschrieben wird.

Dabei trommelte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) selbst jahrelang für mehr Internet für alle. Spätestens im Vorfeld der Cebit beschwört die Kanzlerin jährlich die wirtschaftsfördernden Mächte flächendeckender Vernetzung. Im Februar 2010 sagte sie: "Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahresende jedem Haushalt einen einfachen Internetzugang zu ermöglichen. Gleichzeitig werden wir in den nächsten Jahren zielbewusst das schnelle Internet ausbauen."

Passiert ist seitdem wenig. Noch immer klaffen in Deutschlands abgelegeneren Regionen große Versorgungslücken. Vielerorts behilft man sich mittlerweile mit UMTS-Surfsticks für den Rechner, wie die Daten des Infas-Telekommunikationsmonitors zeigen (siehe Bilderstrecke). Die Betriebe und Haushalte, die in der Surf-Lücke ihr Dasein fristen müssen, liegen überwiegend in strukturschwachen Gebieten im Osten und hohen Norden Deutschlands, wie die Infas-Daten zeigen. Ihnen wird der Gesetzgeber nun wieder nicht helfen.

Der Markt soll es alleine regeln - aber das tut er nicht

Dabei sind sich in Berlin eigentlich immer alle einig, dass möglichst schnelle, flächendeckende, idealerweise technisch aktuelle Vernetzung ein entscheidender Standortfaktor ist, eine Zukunftsinvestition. FDP-Chef Philipp Rösler etwa erklärte am heutigen Donnerstag, Telekommunikationsnetze seien so etwas wie das Nervensystem einer modernen Informationsgesellschaft. Dafür, dass dieses Nervennetz alle Organe und Bereiche erreicht, will Röslers FDP aber offenbar nichts tun. Das soll der Markt alleine regeln, doch das tut er offenkundig nicht.

Die Union wollte das eigentlich ändern. Gerade Abgeordnete vom flachen (oder, im Fall der CSU, gebirgigen) Land wünschten sich für die Novelle des Telekommunikationsgesetzes etwas, das sie "Universaldienst" nannten: Bis spätestens 2018 sollten den Plänen zufolge Kapazitäten ausgebaut werden, wo es heute noch hapert, und zwar verpflichtend. Die Telekom hätte also DSL-Kabel an Orte legen sollen, wo derzeit noch keine liegen. Doch der Konzern will lieber ein Glasfasernetz aufbauen - und auch das nicht überall.

"Wir rollen nicht mehr flächendeckend ein Netz in jeden Haushalt aus"

Der Deutschland-Chef der Telekom Niek Jan van Damme sagte der "Wirtschaftswoche" kürzlich, man wolle ein "Supernetz bauen", aber: "Die Zeiten sind vorbei, in denen wir flächendeckend solch ein Netz bis in jeden Haushalt ausrollen. Wir suchen gezielt nach Städten, wo sich ein Glasfaserausbau für uns lohnt. Wir können in Glasfasernetze nur investieren, wenn es eine gewisse Zahl von Vorbestellungen gibt."

Bislang hat nur die Kleinstadt Stade in Niedersachsen die nötige Quote von Vorbestellungen - zehn Prozent - erreicht. 2011 will die Telekom 160.000 Haushalte ans Glasfasernetz anschließen, teilte der Konzern im März mit. Im internationalen Vergleich ist das ein Witz: In Schweden etwa hat ein Viertel der Haushalte Hochgeschwindigkeits-Anschlüsse. In Teilen Deutschlands wäre man schon froh über eine 6-Mbit/s-Leitung.

Van Damme und sein Chef René Obermann werden sich nun freuen: Die Verpflichtung zum Breitbandausbau kommt nicht. Sie wurde aus dem Telekommunikationsgesetz gestrichen. Und das, obwohl etwa der Telekommunikationsexperte der CSU, Georg Nüsslein, noch vor einer Woche Hoffnungen geweckt hatte: "Es wird bei der Frage des Universaldienstes ein Gespräch auf Ebene der Parteivorsitzenden geben", hatte Nüsslein der "Financial Times Deutschland" gesagt. Das Ergebnis dieses Gespräches war offenbar: Breitband für alle ist dann doch nicht so wichtig.

Durchgesetzt hat sich damit wohl die FDP, die sich der unternehmerischen Freiheit - oder aber den Telekommunikationskonzernen - verpflichtet fühlte, und die Idee des Breitband-Universaldienstes von vorneherein ablehnte. FDP-Chef Rösler feierte das Ergebnis denn auch. Das Gesetz ziele darauf ab, den Ausbau der modernen Kommunikationsnetze in Deutschland "ohne staatliche Vorgaben allein mit den Mitteln des Wettbewerbs" vorantreiben, sagte Rösler laut Reuters.

Ein Wettbewerb um die möglichst flächendeckende Versorgung von Haushalten mit schnellen Internetanschlüssen findet in Deutschland derzeit aber nicht statt. Und so bleibt alles, wie es ist: Strom und Wasser sind in Deutschland Grundversorgung.

Quelle: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,794425,00.html

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