Pressespiegel & Aktuelles
Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster
Beachten Sie bitte, dass dieser Artikel vor 3294 Tagen veröffentlicht wurde.
Stellungnahme unserer Bundestagsabgeordneten Dagmar Schmidt zum Syrieneinsatz der Bundeswehr
Klartext zum Syrieneinsatz
Die Krisen dieser Welt lassen uns nicht unberührt – nicht nur weil tausende Flüchtlinge uns täglich daran erinnern. Vor allem der Syrienkonflikt ist extrem verworren und eine einfache Lösung gibt es genau so wenig wie die Sicherheit, in Bezug auf Syrien immer die richtige Entscheidung zu treffen.
Die Solidarität mit Frankreich ist gerade in Zeiten, in denen Europa in einer seiner schwersten Krisen steckt ein wichtiges Gebot. Die Unterstützung des militärischen Einsatzes Frankreichs im Kampf gegen den IS muss aber auch aus sich selbst heraus Sinn machen.
Eins jedoch ist klar: Dem IS, der Grausames und Unvorstellbares, Massenmorde, Versklavung von Frauen und Mädchen, die Tötung „Ungläubiger“ und die Zerstörung der Kultur und des Lebens der Menschen in der Region und terroristische Anschlägen über die Region hinaus, sei es im tunesischen Sousse, in Beirut, Ankara oder Paris zu verantworten hat, muss Einhalt geboten werden. Dazu braucht es viele verschiedene Maßnahmen.
Humanitäre Hilfe ist erstes Gebot.
Sicher sind wir uns alle darin, dass das erste Gebot die humanitäre Hilfe ist. Konkret unterstützen wir seit 2011 die Flüchtlingslager in den syrischen Nachbarländern wie dem Libanon, Jordanien und der Türkei. So ist es gelungen auf der Konferenz zur syrischen Flüchtlingslage in Berlin im November 2014 die humanitäre Hilfe für Syrien zu bündeln und zu koordinieren. Seit 2012 hat Deutschland über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, um gegen die humanitäre Krise vorzugehen. In dem Haushalt für 2016 haben wir die Mittel für die Krisenprävention nochmal um 400 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro erhöht.
Nur eine politische Lösung bringt nachhaltigen Frieden.
Genauso wichtig wie die humanitäre Hilfe ist es, nach einer politischen Lösung für den Syrienkonflikt zu suchen und sich dafür mit aller Kraft einzusetzen. Ich bin sehr stolz auf das, was die deutsche Außenpolitik mit Frank-Walter Steinmeier schon erreicht hat. Außenminister Steinmeier arbeitet seit seinem Amtsantritt hart daran, eine politische Lösung für Konflikte im Nahen und Mittleren Osten zu finden.
Einen Erfolg konnte er erzielen, als er im Verbund mit seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius die konkurrierenden Seiten in Libyen an einen Tisch brachte und ein Zeitplan für eine politische Einigung erzielt werden konnte.
Auch war er maßgeblich an der Einigung über das iranische Atomprogramm beteiligt. Diese Einigung ermöglichte die Einbindung Irans, die für eine Konfliktlösung in Syrien notwendig ist.
Demselben Verhandlungsformat wie bei den Iranverhandlungen, also Deutschland, Frankreich, USA, Russland und Großbritannien, ist es nun gelungen das syrische Regime, die gewichtigen Oppositionskräfte, sowie die ausländischen Unterstützerstaaten wie Saudi-Arabien, die Türkei und Iran in Wien zu einer Konferenz über Syrien an einen Tisch zu bekommen und sich auf einen Fahrplan für Syrien zu einigen. So sollen nach einem schnellstmöglichen Waffenstillstand dann im Sommer 2016 eine Übergangsregierung aus Regierung und Opposition gebildet und dann 18 Monate später Neuwahlen angesetzt werden. In den befreiten und befriedeten Gebieten werden schnellstmöglich zivile Stabilisierungsmaßnahmen, wie die Sicherung von Strom- und Wasserversorgung und einer medizinischen Grundversorgung eingeleitet. Der Wiener Prozess ist noch lange keine Garantie, aber er macht Hoffnung auf eine Lösung.
Wir bemühen auch die globalen Finanzströme des IS auszutrocknen, damit er keinen weiteren Zufluss an Finanzmitteln hat. Hier müssen wir eindeutig noch härter vorgehen.
Der Terrorismus muss auch in Europa bekämpft werden.
Ein weiterer Aspekt der Friedensbemühungen für Syrien, ist die aktive Bekämpfung des Islamismus in Europa. Spätestens seit dem Erstarken des Islamischen Staates ist dieser Aspekt Teil der europäischen Bemühungen zur Beendigung des Konfliktes. So findet nicht erst seit den abscheulichen Anschlägen in Paris eine verstärkte Zusammenarbeit europäischer Sicherheits- und Polizeidienste statt. Terror-Touristen werden an der Grenze gestoppt und ihnen werden die Reisedokumente entzogen. Außerdem haben wir eine bessere finanzielle Ausstattung der deutschen Sicherheitsorgane und mehrere hundert neue Stellen bei Bundeskriminalamt, den Polizeibehörden und den Nachrichtendiensten beschlossen. Es ist unsere Verantwortung den Zulauf ausländischer Kämpfer nach Syrien zu verhindern.
Einer Radikalisierung junger Menschen kann aber nicht allein durch sicherheitspolitische Maßnahmen entgegen getreten werden. Es gehören dazu auch soziale Maßnahmen. Deshalb brauchen wir zur Bekämpfung des Islamismus und damit der Rekrutierungsgrundlage des IS, Präventionsprogramme in Deutschland. So hat Familienministerin Manuela Schwesig 2015 das Programm „Demokratie Leben!“ aufgesetzt, dass für 5 Jahre 40,5 Millionen veranschlagt. Damit werden Aussteigerprogramme für Islamisten und andere Radikale finanziert, aber auch Jugendprogramme wie Völkerverständigung und Respekt in Wiesbaden, die Jugendliche vor einer Radikalisierung schützen sollen.
Darüber hinaus müssen wir weiter hart durch bildungs- und sozialpolitische Reformen daran arbeiten, dass Menschen mit Migrationshintergrund gleiche Chancen in Schule und Beruf haben.
Der IS ist kein Verhandlungspartner.
Nicht erst mit der Entscheidung für eine Unterstützung der französischen Luftangriffe beteiligt sich Deutschland militärisch.
Seit Sommer 2014 trainieren wir im Irak auch die kurdischen Peschmerga und versorgen sie mit Waffen zum Kampf gegen den IS. Diese Unterstützung hat die ersten positiven Erfolge gezeigt. Nicht nur konnten die Kurden ihre Gebiete halten und vielen Menschen Schutz gewähren, sondern sie konnten den IS auch zurückdrängen und letzte Woche die Yezidenstadt Sindjar befreien.
Das Syrienmandat verfolgt diese Ziele weiter, denn es muss klar sein: Der IS kann kein Verhandlungspartner sein. Die militärische Strategie Deutschlands und seiner Verbündeten im Kampf gegen den IS ist, ihm den Nachschub abzuschneiden, seine organisatorischen Fähigkeiten zu beschneiden und ihm seinen Rückzugsraum zu nehmen. Das bedeutet z. B. konkret: Die Grenzübergänge, die der IS zur Türkei und zum Irak kontrolliert zu blockieren, die Ölraffinieren in Syrien zu zerstören, damit der IS kein Geld mehr durch Ölexporte verdienen kann und die Kommandozentralen und Kommunikationswege gezielt auszuschalten. Das militärische Ziel ist die Eindämmung des IS.
Das Eingreifen gegen den IS läuft zweigleisig mit den diplomatischen Verhandlungen. Zur Beendigung des Bürgerkrieges zwischen dem Assad-Regime und den Rebellen ist eine politische Lösung bitter notwendig. Dazu brauchen wir eine Langzeitstrategie, wie sich Syrien nach dem Waffenstillstand entwickeln soll. Niemand hat heute dafür einen fertigen Plan oder eine glasklare Vorstellung. Diese müssen in der Region, gemeinsam mit den Bürgerkriegsparteien vor allem aber unter Einbeziehung der syrischen Bevölkerung - in Syrien und außerhalb – gefunden werden. Viele der syrischen Flüchtlinge wollen so schnell wie möglich in ihre Heimat zurück und dort bei dem gesellschaftlichen und politischen Wiederaufbau helfen. Dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen.
Zu einer solchen Strategie gehört aber auch eine tiefgehende Diskussion über die weitere Entwicklung im gesamten Nahen und Mittleren Osten. Dazu gehört es, die Rolle die Saudi-Arabien und die Türkei für den Aufstieg von Dschihadisten in Syrien und dem Irak gespielt haben, nicht unter den Tisch fallen zu lassen. Wir müssen sicher gehen, dass eine solche Unterstützung nicht noch einmal oder weiterhin passieren kann.
Für die wenigsten Abgeordneten ist eine solche Entscheidung leicht zu treffen. Und aus meiner Sicht wäre es gut gewesen, mehr Zeit für die Information, Meinungsbildung und Diskussion – auch mit der Öffentlichkeit – zu haben.
Am Ende meiner Entscheidung steht folgende Abwägung:
Ich bin keine Pazifistin. Für mich gibt es Situationen der Unterdrückung, Entrechtung und der Barbarei, die den Einsatz von Gewalt rechtfertigen.
Daher gilt es jedes Mal genau abzuwägen und als aller erstes zu fragen, ob es Alternativen zu einem Einsatz von militärischer Gewalt gibt. Aus meiner Sicht kann man Schuld auf sich laden, wenn man einem Militäreinsatz zustimmt wie im Falle des Irak. Man kann aber auch Schuld auf sich laden, wenn man nicht handelt, wie im Falle Ruandas.
Ruanda mahnt vor allem, immer alle Möglichkeiten rechtzeitig auszuloten, die verhindern, dass Konflikte eskalieren. Hier müssen wir noch viel erfolgreichere Instrumentarien entwickeln und unsere positiven Erfahrungen mit zivilen Friedenskräften verstärken. Darin muss vor allem unser Bestreben liegen.
Der IS ist ein anderer Feind. Ihm ist in Syrien und im Irak nicht mit Prävention oder Verhandlungen Einhalt zu gebieten. Diese Region erlebt nicht Gewalt durch den Einsatz der Allianz gegen den IS, diese Region erlebt Gewalt wegen des IS. Und so sehr der Bürgerkrieg zwischen den Regierungskräften und den oppositionellen Truppen in Syrien durch Verhandlungen befriedet werden muss, so wenig ist das eine Option für eine Kraft, die sich nicht regional, sondern global versteht und einen Allmachtsanspruch formuliert.
Der Einsatz hilft konkret den IS zu schwächen. Er hat keinen negativen Einfluss auf die politische Lösung, im Gegenteil. Je schwächer der IS zum Zeitpunkt eines erfolgreichen politischen Prozesses in Syrien ist, desto leichter kann er mit vereinten Kräften endgültig besiegt und eine neue Ordnung errichtet werden. Niemand sagt, dass das leicht wird. Aber ich glaube wir müssen es versuchen: Humanitäre Hilfe, politischer Prozess und militärische Eindämmung des IS.
Deswegen habe ich mich entschieden, für die Unterstützung der Franzosen im Einsatz gegen den IS zu stimmen.