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Pressespiegel & Aktuelles - Archiv von Wolfgang Schuster

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Wir sind die Bad Bank für alle

Landrat Wolfgang Schuster über Geld, Schulden und Schutzschirm

Von Martin H. Heller
Wetzlar / Dillenburg. Im Lahn-Dill-Kreis gibt es viele Probleme zu bewältigen, viele Aufgabenfelder zu beackern, die früher übergeordnete Behörden erledigten. Zudem drücken hohe Schulden. Wir sprachen mit Landrat Wolfgang Schuster (SPD) über diese und andere Themen.

Herr Schuster, die Opposition im Kreistag, vorneweg die CDU, wird nicht müde, die Entscheidung für vier Hauptamtliche an der Spitze des Kreises zu kritisieren. Wie rechtfertigen Sie das – oder ist es überhaupt nicht an Ihnen das zu rechtfertigen?

Wolfgang Schuster: Das entscheidet nicht der Landrat, sondern der Kreistag. Fakt ist, dass wir eine Dreierkoalition haben aus SPD, Grünen und Freien Wählern. Was sich ändern wird, ist die Umwandlung eines ehrenamtlich geführten Dezernates in ein hauptamtlich geführtes Dezernat. Neue Herausforderungen sind das Gesundheits- und Krankenhauswesen, die Übernahme der Trägerschaft des Job-Centers Lahn-Dill zum 1.1.2012, die Energiepolitik und mehr denn je die Bewältigung des demografischen Wandels. Das war die Grundlage für diese Entscheidung. Darüber hinaus darf ich daran erinnern, dass erst eine von CDU und FDP im Hessischen Landtag initiierte Gesetzesänderung die Schaffung einer solchen Stelle ermöglichte. In Wiesbaden zu sagen, wir wollen das, und in Wetzlar, wir lehnen es ab, ist wenig glaubwürdig.

Das klingt, als hätten alle vier ordentlich zu tun. Wie werden sich die Aufgabengebiete verteilen?

Schuster: Es werden definitiv alle ordentlich zu tun haben. Das Aufgabengebiet wird ja nicht kleiner, sondern es wird größer. Über die konkrete Aufgabenverteilung werden noch Gespräche geführt, denen ich nicht vorgreifen möchte.

Wird die Arbeit dadurch effektiver?

Schuster: Ja.

Woher kommt das Geld für den neuen Hauptamtlichen?

Schuster: Wir haben den Aufwand für das hauptamtliche Dezernat bereits kompensiert, und das ehrenamtliche Dezernat entfällt zukünftig. Im Bereich des höheren und gehobenen Dienstes haben wir bereits seit einem Jahr eineinhalb Stellen eingespart. Die Stelle ist damit gegenfinanziert.

Was sind die derzeit wichtigsten Aufgaben?

Schuster: Wir haben viele Aufgaben, deren Erledigung keiner sieht. Unsere Kerngeschäfte sind unsere Aufgaben als Schulträger, die Sozialhilfe, die Betreuung von Menschen mit Behinderungen aber auch eine Vielzahl von ordnungspolitischen Angelegenheiten wie Verbraucherschutz und Veterinärwesen, Bauaufsicht, Kfz-Zulassung, um nur einige zu nennen. Dort wird es bei uns nicht langweilig. Sehr bedeutend ist auch die Kinder- und Jugendhilfe, die nach außen kaum sichtbar wird. Das sind Themen, die uns stark beschäftigen.

Zurück zu den Baustellen, die man sieht: Ist das Thema marode Schulbauten jetzt durch? Wie viel Geld hat der Kreis reingesteckt?

Schuster: Wir haben in meiner Amtszeit 2007 bis 2012 zusammen als eindeutige Schwerpunktsetzung 207 Millionen Euro in Schulen investiert. Davon sind etwa 55 Millionen aus den Konjunkturprogrammen gekommen. Die Sanierung geht weiter. Ich gehe davon aus, dass wir in der nächsten Wahlperiode noch einmal 211 Millionen Euro drauflegen müssen, um gute Schulen mit guter Ausstattung zu bekommen.

Würden sie gerne die eine oder andere Schule abgeben – zum Beispiel an Kommunen, die diese haben wollen?

Schuster: Sinnvoll wäre es, die Grundschulen zu kommunalisieren, das heißt in die Trägerschaft der Städte und Gemeinden zu übergeben. Dort könnte man dann auch unter dem Lichte der demografischen Entwicklung – wir werden in den nächsten Jahren dramatisch zurückgehende Schülerzahlen haben - in einem Gebäude einen Kindergarten, eine kleine Grundschule mit ein, zwei Klassen oder vielleicht auch ein Mehrgenerationenhaus mit anbinden, um diese Raumreserven zu nutzen. Einen freiwilligen Übergang an die Kommunen sehe ich derzeit allerdings nicht. Und beim Gesetzgeber stößt dieser vernünftige Vorschlag bisher leider auf taube Ohren.

Wie ist der Stand der Dinge beim Ersatzbau für die Kreisverwaltung?

Schuster: Wir legen das blaue Gebäude am Karl-Kellner-Ring still. Dieser Gebäudeteil ist ein energetisches und brandschutztechnisches Wrack. Wir müssten da mindestens 6 bis 7 Millionen Euro investieren. Davon nehmen wir Abstand. Das neue Gebäude kostet inklusive eines Parkdecks nach jüngster Kostenschätzung rund 23 Millionen Euro. Baubeginn soll sein im Frühjahr 2013. Alle Standorte in Wetzlar, die jetzt noch in der Stadt verstreut sind, sollen hier zusammengelegt werden. Derzeit müssen wir jährlich knapp 1,3 Millionen Euro für die Gebäude aufwenden. Wenn wir neu gebaut haben, wollen wir das deutlich nach unten drücken. In ein paar Jahren werden wir vermutlich mit 700.000 Euro pro Jahr für die Gebäudeunterhaltung hinkommen. Der Kreistag wird am 9. November noch einmal darüber reden.

Wenn's ums Geld geht: Der Kreis hat hohe Schulden. Gibt es eine Perspektive, wann und wie die Gebietskörperschaft Kreis aus ihren Schulden raus kommen könnte?

Schuster: Der Deutsche hat im Durchschnitt eine theoretische Pro-Kopf-Verschuldung von 25.000 Euro. Davon liegen etwa 1.000 Euro an den Städten und Gemeinden. Im Lahn-Dill-Kreis haben wir aktuell eine Pro-Kopf-Verschuldung von 1.200 Euro. Wir haben momentan etwas über 300 Millionen Euro Schulden. Davon sind die Hälfte Kassenkredite. Das ist das eigentlich Bedrückende, denn das heißt, dass der laufende Betrieb sich eigentlich nicht mehr selbst trägt. Bedenklich ist auch, dass die Kommunen nach den Steuersenkungen der letzten zehn Jahre ihre Haushalte auf breiter Front nicht mehr ausgleichen können. Allein 150 Millionen Euro jährlich sind Transferaufwendungen für Soziales, Kinder- und Jugendhilfe und den Landeswohlfahrtsverband. Gleichzeitig liegt unsere Kreis- und Schulumlage, die der Kreis von den Kommunen bekommt, bei etwa 90 Millionen Euro. Die Schlüsselzuweisungen des Landes, die wir bekommen, liegen bei 44 bis 45 Millionen Euro. Und das reicht grad' eben noch aus, um die Umlage an den Landeswohlfahrtsverband zu finanzieren. Das zeigt, dass wir in eine unglaubliche Schieflage gekommen sind.

Was kann der Kreis da tun?

Schuster: Die Städte und Gemeinden sind durch die Kreis- und Schulumlage der größte Finanzier des Kreises. Als eigene Einnahme haben wir nur die Jagdsteuer. Das sind jährlich 250.000 Euro. Die Kreis- und Schulumlagen machen derzeit schon weit über die Hälfte unserer Einnahmen aus. Das ist natürlich alles nur ein Verschiebebahnhof zwischen Kommunen und Kreis. Wir sind ja quasi eine kommunale Familie.

Was unternimmt der Kreis gegen diesen Mangel, wenn er seine Einnahmen nicht selbst erhöhen kann?

Schuster: Die Kreise klagen ja gegen das Land, weil die Finanzausstattung der Kreise durch das Land nicht mehr ausreicht, um die gesetzlichen Pflichtaufgaben zu erfüllen.

Also Aufgaben, deren Erledigung das Land den Kreisen aufträgt?

Schuster: Ja, das ist so. Ich muss diese Aufgaben erfüllen. Ich kann ja nicht im Oktober plötzlich Zahlungen einstellen. Beispielsweise werden die Hälfte aller Heimbewohner in unseren Alten- und Pflegeheimen durch den Kreis finanziell unterstützt. Das heißt, die Rente reicht nicht mehr, um den Pflegesatz zu bezahlen. Es ist eine gesetzliche Auflage, solche Zahlungen zu leisten. Es ist eine Tatsache, dass vieles auf uns runter gezogen worden ist, ohne dass es eine finanzielle Ausstattung dafür gäbe. Solche Sachen entlasten Bund und Land und belasten uns.

Was ist die Folge?

Schuster: Der Kreis wird dann oft so dargestellt, als wären wir ein Verein, der mit Geld nicht umgehen kann. Dabei sind wir die Bad Bank für alle Beteiligten.

Das Land hat das Angebot gemacht, einen Teil der Schulden zu tilgen. Wer sich unter den Schutzschirm des Landes stellt, muss aber auch einiges an Eigenleistung bringen.

Schuster: Der Kreistag hat es beschlossen. Wir haben den Antrag auf Aufnahme unter den Schutzschirm gestellt. Aber wir erfüllen die Standard-Voraussetzungen nicht. Anfang November wird es in Wiesbaden ein Gespräch darüber geben, ob wir doch unter den Schutzschirm können. Es geht um 65 Millionen Euro Entschuldung durch das Land. Wir haben – wir sprachen schon darüber – keine Stellschrauben, um die Einnahmen zu erhöhen. Wir werden – da bleibt uns nichts anderes übrig – überlegen, wo wir die Infrastruktur an den künftigen Bedarf anpassen müssen.

Dann bleiben dem Kreis die Pflichtaufgaben, aber er müsste sich womöglich von Einrichtungen trennen, die er bis jetzt betreibt. Ist das nicht eine Mogelpackung der Landesregierung?

Schuster: Durch die Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich um 345 Millionen Euro werden uns jährlich 11 Millionen Euro entzogen. In 30 Jahren – das ist die Laufzeit des Schutzschirms – verlieren wir rund 330 Millionen Euro Einnahmen und kriegen von dem Schutzschirm unterm Strich 65 Millionen Euro. Welche Aufgaben wir streichen müssen, kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich möchte da auch nicht spekulieren. Das wird Gegenstand der parlamentarischen Debatte sein.

Andere Möglichkeiten gibt es nicht?

Schuster: Tja, am Personal können wir kaum sparen. Wir haben eine Personalkostenquote von rund 15 Prozent. Das ist schon verhältnismäßig niedrig. Von der Verwaltung über die Leitstelle bis hin zum Schulhausmeister.

Macht es bei alledem überhaupt noch Spaß, Landrat zu sein? Das ist doch ein Stressjob, oder?

Schuster: Na klar. Denn es ist positiver Stress, wenn man seine Sache gern macht, auch wenn man manchmal 80 Stunden in der Woche arbeitet. Ich bin jetzt im sechsten Jahr und komme jeden Morgen gern hierher.

Quelle: Interview mit der WNZ

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